Die Erklärungsversuche des FPÖ-Chefs betreffend seine Gewaltspiele inmitten von Jungnazis erinnern an eine typische Situation in unseren Parks: Ein beißkorb- und leinenloser Rottweiler kommt zielstrebig auf dich und dein Kind zugelaufen - der Besitzer/die Besitzerin ruft begütigend: "Der will doch nur spielen!"

Was soll dieses ganze Herumgerede von "ZiB 2" bis "Offen gesagt"? Herr Strache ist in einem Milieu aufgewachsen, das rechtsradikal und NS-nostalgisch durchsetzt war, er hat es in einer Partei zu etwas gebracht, die untrennbar mit genau diesen Erscheinungen verbunden ist und immer war. Heute ist er folgerichtig fremdenfeindlich, nationalistisch und intolerant. Sein früherer Parteichef Jörg Haider ist über lange Jahre der Chef-NS-Verharmloser dieser Republik gewesen , hat sich antisemitisch betätigt und betreibt in der Ortstafelfrage aktiv völkische Aufhetzung bzw. Verhöhnung des Rechtsstaats.

All das war Wolfgang Schüssel nicht bekannt? Es war ihm wurscht auf seinem Weg zum Kanzler. Deshalb ist es eine Erlösung, dass diese Regierungskoalition abgelöst wurde, trotz des verstolperten Starts der neuen Regierung.

Österreich hat eine rechtsradikale Konstante in der Parteien- und Wählerlandschaft. Wie alle extremen Bewegungen (also auch die Stalinisten, Trotzkisten, Maoisten) neigt sie zur Spaltung und zum Sektierertum, weil es immer ein paar gibt, die Führer sein und die reine Lehre vertreten wollen. Strache putschte gegen Haider, und nun versucht eben Stadler gegen Strache zu putschen. Das rechtsextreme Potenzial aber bleibt gleich, manchmal zieht es sich in Nischen zurück, manchmal wächst es zu beträchtlichem Einfluss an.

Die österreichische Spezialität besteht darin, dass große Teile der traditionellen Parteien diese rechtsextreme Strömung verharmlosen, weil sie mit ihnen koalieren können wollen. Im Unterschied zu Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien usw.

Haider ist auch deswegen in Kärnten so relativ fest im Sattel, weil es jede Menge SPÖ-Funktionäre (Bürgermeister) gibt, die so denken wie er. Aber aktuell waren es die Bürgerlichen, die diesen Leuten in die Regierung geholfen haben. Dazu musste man sie vorher verharmlosen - und das geht munter weiter, z. B. in der Wiener Zeitung, die den Gastkommentar eines einschlägigen Rechtsanwalts und Verteidigers des Holocaustleugners David Irving veröffentlicht.

Etliche meiner liberalen, bzw. libertären amerikanischen Freunden und Kollegen fragten mich unter Bezug auf die Meinungsfreiheit, warum man die Holocaust-Leugnung unter Strafe stellen soll. Ich habe immer geantwortet: weil dann David Irving in manchen unserer Zeitungen eine ständige Kolumne kriegen würde.

Es war nur leicht überspitzt. Nun, im Jahre 2007, erscheint im Organ der Republik, Wiener Zeitung, ein Plädoyer für die Holocaust-Leugnung. Der (unter der alten Regierung eingesetzte) Chefredakteur war schon zu seinen Zeiten in der Presse ein führender Protagonist der "Versöhnung" von Bürgertum und Haiderismus mitsamt NS-Bagage. Jetzt sagt er, man müsse doch "diskutieren" dürfen. Nein, muss man nicht. Es gibt kein Recht von Nazi-Apologeten, die Faktizität der Menschheitsverbrechen ihrer Idole zu bestreiten. Deutschland will die Holocaust-Leugnung EU-weit unter Strafe stellen. Rottweiler brauchen Leine und Beißkorb. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2007)