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Erwin Gillich, Leiter der städtischen EDV-Abteilung Wien

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Wiens Stadtverwaltung ist aus Sicht der IT salopp formuliert ein riesen Aufwand. Der Amtsweg über das Internet ist längst Realität. Welcher technologische Aufwand dahinter steckt und ob man seine persönlichen Daten den virtuellen Ämtern guten Gewissens anvertrauen kann, verrät Erwin Gillich, Leiter der städtischen EDV-Abteilung, Magistratsabteilung 14. "Absolute Sicherung gibt’s nicht. Das kann niemand behaupten, das wäre lächerlich, aber ich glaube, dass wir alles tun, was mit heutiger Technik möglich und sinnvoll ist", meint Gillich zu den internen Sicherheitsvorkehrungen der MA14 im Gespräch mit Zsolt Wilhelm.

WebStandard: Wie muss man sich die IT der Wiener Stadtverwaltung vorstellen? Welche Dimensionen umfasst dieses System?

Erwin Gillich: Wir – die Magistratsabteilung 14 - sind interner IKT-Dienstleister (Informations- und Kommunikations- Technologie) für die Stadt Wien. Unser Team besteht aus rund 470 Personen, wir bedienen damit ca. 140 Dienststellen im Magistrat, die für sich wiederum 35.000 Personen beschäftigen. Wir haben derzeit um die 20.000 PCs zu betreuen, dazu kommen etwa 10.000 PCs in den Wiener Schulen. In unserem Rechenzentrum stehen zwei IBM-Großrechneranlagen und 700 Server, die teilweise auch über das Stadtgebiet von Wien verteilt sind. Abgesehen davon sind wir für ungefähr 25.000 Telefone zuständig und ca. 7.000 Handys.

Im Jahr machen wir einen Umsatz von rund 64 Millionen Euro. Dabei sind wir eine Abteilung, die für jeden Euro, den sie ausgibt wieder einnehmen muss. Das heißt, wir haben eine interne Vollkostenrechnung. Wir verrechnen unsere Kosten zu 100 Prozent weiter, will heißen, auch der Quadratmeter auf dem ich sitze steht indirekt auf Rechnungen. Wir agieren eigentlich wie ein Wirtschaftsunternehmen.

WebStandard: Beziehen auch Kunden abseits der Stadt Wien ihre Leistungen?

Erwin Gillich: Es gibt Stadt Wien nahe Vereine, die zu 100 Prozent in Abhängigkeit zum Magistrat stehen. Aber auch Einrichtungen, die ein zum Teil ausgelagertes Verhältnis haben, wie der "Fonds Soziales Wien" oder "Wiener Wohnen".

WebStandard: Wie ist diese Unmenge an Daten nach außen hin geschützt?

Erwin Gillich: Wir haben eine Speicher-Hierarchie, an deren Ende unveränderliche Speichermedien stehen. Wir haben für alle wesentlichen Anwendungen mindestens zwei Standorte, also wenn einer ausfällt, dann kann der zweite übernehmen. Es gibt auch technische Vorauskehrungen wie sogenannte Clustersysteme, die je nach Notwendigkeit in sehr sehr kurzer Zeit oder in etwas längerer Zeit die Arbeit übernehmen können. Warum es da Unterschiede gibt, ist einfach zu erklären. Nämlich je schneller so ein Wiederanlauf möglich sein muss, desto teurer ist die Lösung. Und da muss man dann schauen, was notwendig ist und nur das wird dann auch geleistet und nicht mehr.

WebStandard: Ist das System auch gegen Stromausfälle genützt?

Erwin Gillich: Ja, für Teile der Infrastruktur, also vor allem die Zentrale in den Rechenzentren gibt es unterbrechungsfreie Stromversorgung und Notstromanlagen, die eine definierte Zeit einen totalen Netzausfall abfangen können. Tagelange Netzausfälle kann man damit aber nicht abpuffern. Da müssten wir dann kontrolliert niederfahren.

WebStandard: Welche Software setzen Sie für diese Verwaltung ein?

Erwin Gillich: Es gibt fast nichts, was wir nicht im Einsatz haben, da die Anwendungsbereiche so vielfältig sind. Die großen, bekannten Systeme sind SAP, als betriebswirtschaftliche Standardsoftware und ELAK (elektronischer Akt) für das Verwaltungshandeln und für Vorgangsbearbeitungen. Wir als MA14 sind ja auch ein Systemhaus und ein Rechenzentrum. Wir stellen Produkte zur Verfügung, integrieren sie, wir machen aber auch IKT-Projekte in allen Projektphasen und Softwareentwicklung.

WebStandard: Können Sie da Beispiele nennen?

Erwin Gillich: Zum Beispiel sind alle wesentlichen E-Gouvernement-Anwendungen bei uns im Haus entstanden. Da gibt es mittlerweile ja schon sehr viele davon.

WebStandard: Die freiwillige Nutzung der Stadt Wien von Linux im Rahmen des Wienux-Projekts hat in den Medien großen Niederschlag gefunden. Welche Vorteile bietet Linux bzw. Open-Source-Software?

Erwin Gillich: Grundsätzlich fallen einmal die Lizenzkosten weg. Es gibt also eine gewisse Kostenersparnis für die Abteilungen. Es gibt aber auch andere Vorteile, wie verringerte Abhängigkeit von einem Anbieter, eine höhere lokale Wertschöpfung vor Ort. Es gibt zudem noch keinen Abfluss von Lizenzgebühren aus dem EU-Raum in die USA, obwohl das eher makroökonomische Argumente sind. Oft ins Treffen geführt wird auch die höhere potentielle Sicherheit.

WebStandard: Ist das tatsächlich so?

Erwin Gillich: So pauschal kann man das sicher nicht sagen. Es gibt sehr unsichere Open-Source-Software und sehr sichere proprietäre Software. Der Unterschied ist nur, bei Open-Source ist grundsätzlich immer der Source-Code einsehbar. Bei proprietärer Software nicht und der Code bleibt unbekannt. Das ist immer dann gefährlich, wenn ein Anderer (z.B. ein Angreifer) doch Wissen darüber erlangt. Diese Gefahrenquelle ist bei Open-Source kein Thema, da ist für beide Seiten alles bekannt.

WebStandard: Gibt es beim Service und bei der Betreuung der beiden Lösungen aus wirtschaftlicher Sicht einen Unterschied?

Erwin Gillich: Aus unserer Erfahrung ist der Betriebsaufwand nahezu identisch und wir selbst verrechnen auch gleich viel für den Betrieb von beiden Systemen. Wir sparen uns hier vor allem viel durch den Wegfall der Lizenzkosten.

WebStandard: Wie groß ist der Anteil der Lizenzabgaben an den Gesamtkosten?

Erwin Gillich: Pro Jahr geben wir etwa 9 Millionen Euro für Software aus. Dabei gilt es aber immer zu unterscheiden zwischen Software, für die wir eine reine Nutzungslizenz erwerben und für Software, die zusätzlich noch eine Produktwartung inkludiert. Von den 64 Millionen Euro an Ausgaben entfallen etwa 34 Millionen Euro an das Sachmittelbudget und die restlichen 30 Millionen Euro sind Personalkosten. Der Anteil am Sachmittelbudget beträgt also etwa ein Viertel.

WebStandard: An vorderster Front ihrer Abteilung steht Wien.gv.at (kurz: wien.at), was kann man als User dort alles machen?

Erwin Gillich: Schauen Sie es sich an! Also kurz allgemein zur Webseite: Wien.at wurde 1995 gestartet und wir haben von Anfang an darauf geachtet bestimmte Regeln einzuhalten, so zum Beispiel auch, dass es barrierefrei zugänglich ist. Es unterliegt den WAI-Richtlinien. Das heißt, man kann mit jedem wesentlichen Browser darauf zugreifen, aber zum Beispiel können auch blinde Menschen oder auch Personen mit motorischen Störungen das Angebot nutzen. Dafür gibt es Regeln und internationale Normen. Nur sehr wenige Webseiten halten sich daran – derStandard.at fürchte ich auch nicht!

Unser Angebot im "Virtuellen Amt" umschließt etwa 300 sogenannte Amtshelferseiten, die Informationen darüber geben, wie man zu bestimmten Leistungen kommt. Ca. 100 Verfahren sind komplett online abwickelbar. Also von der Bestellung über die Bezahlung bis zur Zustellung ist alles im Internet durchführbar.

WebStandard: Hier erspare ich mir den Amtsweg demnach zur Gänze ...

Erwin Gillich: So ist es. Durchschnittlich hatten wir im letzten Jahr rund 70.000 BürgerInnen, die das virtuelle Amt im Schnitt zweimal im Monat genutzt haben. Das heißt, es gibt auch welche, die es häufiger nutzen und andere, die gar nicht davon Gebrauch machen. Wien.at ist nach den Massenmedien, eine der meist besuchten Informations- und Service-Webseite in Österreich. Wir hatten im letzten Jahr schon rund 25 Millionen Page-Impressions pro Monat. Wir haben 45.000 statische Seiten und sehr viel Datenbankinhalte.

WebStandard: Welche Services werden denn am häufigsten genutzt?

Erwin Gillich: Die höchste Nutzung erreichen wir bei der Reservierung der Grillplätze auf der Donauinsel. Da haben wir über 90 Prozent elektronische Anmeldungen. Im Schnitt liegt die typische elektronische Nutzung bei etwa 20 Prozent.

WebStandard: Was ist denn das Ziel von Wien.at, möchte man alle Amtswege auf das Internet übertragen?

Erwin Gillich: Wir wollen so viel wie möglich und so viel wirtschaftlich sinnvoll ist auch online anbieten. Dem Magistrat ist sehr wichtig die Digitale Kluft zu verhindern. Es gibt Personen, die das (Amtswege im Internet) nicht wollen, wünschen oder können und die müssen auf konventionellem Weg zu ihrem Recht kommen können. Es wird noch viele Jahre diesen dualen Weg geben. Wann und ob das rein elektronische Amt kommt, ist nicht abzusehen.

WebStandard: Apropos "Digital Divide", wenn die Ämter rein elektronisch zugänglich werden, müsste man auch garantieren, dass jeder Bürger einen Internetzugang hat. Welche Pläne hat man in dieser Hinsicht – sind öffentliche WLAN-Spots wie in Paris oder San Francisco denkbar?

Erwin Gillich: Naja, bei uns ist man einen anderen Weg, allerdings schon sehr früh gegangen. Da hat man mit den WLAN-Betreibern folgendes Abkommen getroffen: Wien führt ein Verzeichnis der WLAN-Hotspots (Adress, Provider und auch Lokation), so kann man nach den nächstgelegenen Spots suchen. Die Gegenleistung der Betreiber ist, dass der Zugriff auf Wien.at und andere Behördenseiten kostenlos ist. Das ist natürlich nicht der volle WLAN-Zugang, das ist mir schon klar, aber es ist zumindest eine Vorstufe. Ob die Politik jetzt weitere Schritte vorsieht, kann ich jetzt nicht sagen.

WebStandard: Welche Maßnahmen werden denn gesetzt, dass man beim Zugriff und der Anwendung der Dienste sich sicher sein kann, dass die persönlichen Daten nicht abhanden kommen?

Erwin Gillich: Alles, was heute in der IT so State-of-the-Art ist. Das beginnt beim physischen Zugangsschutz zu den Einrichtungen, geht über die geeignete Lagerung der Datenträger an verschiedenen Orten mit entsprechender Sicherung bis hin zur modernsten Absicherung zum Internet hin (Firewalleinrichtungen, etc.). Absolute Sicherung gibt's nicht. Das kann niemand behaupten, das wäre lächerlich, aber ich glaube, dass wir alles tun, was mit heutiger Technik möglich und sinnvoll ist. Bis jetzt hat das auch immer gereicht. Ich glaube, wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir sicher zu den Sicheren gehören.

WebStandard: Würden Sie sagen man kann bei der Nutzung der Dienste auf das System vertrauen?

Erwin Gillich: Ich bin natürlich befangen, aber ich würde doch sagen – ja, natürlich.

WebStandard: Was passiert, wenn es zu einem Zwischenfall kommt?

Erwin Gillich: Da gibt es Gesetze dafür. Es ist gesetzlich geregelt, was passiert, wenn die öffentliche Hand einen Schaden verursacht.

WebStandard: Letzte Frage: Dürfen ihre Mitarbeiter USB-Sticks mit sich führen?

Erwin Gillich: Ja. Es war bei uns auch eine riesen Diskussion und wir haben uns dann entschieden es doch zuzulassen, weil die wirklich wirksame Kontrolle sehr schwer wäre. Effektiv wäre es nur die USB-Anschlüsse an den PCs unbrauchbar zu machen. Das geht aber nicht, da auch Drucker und andere Peripherie daran hängen. Wirklich sinnvoll lassen sich USB-Sticks heutzutage nicht verhindern, ist unsere Meinung, daher lassen wir es zu. (Interview: Zsolt Wilhelm)