Eigentlich hatte Gunter Thielen ganz andere Pläne, als er im August 2002 das Ruder beim deutschen Medienkonzern Bertelsmann übernahm. Mit damals 60 Jahren übergab er die Verantwortung für den Druck- und Mediendienstleister Arvato an Hartmut Ostrowski, um sich fortan der Bertelsmann-Stiftung zu widmen, wo er bereits den Vorsitz des Präsidiums inne hatte, und in den Aufsichtsrat von Bertelsmann zu rücken.

Doch als sich der schillernde Thomas Middelhoff im Juli 2002 überraschend von der Konzernspitze verabschiedete, war Thielen zur Stelle. Für ihn gab Bertelsmann die Regel auf, dass sich Mitglieder des Konzernvorstands mit Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem operativen Geschäft zurückziehen müssen. Anfang 2008 verlässt Thielen nun die Konzernspitze und übernimmt die Leitung der Stiftung, die 77 Prozent der Bertelsmann-Anteile hält.

Pragmatiker

Der langjährige Bertelsmann-Manager Thielen gilt als Pragmatiker, der zugleich besonnen und sachlich arbeitet. Als Chef von Arvato hat er seine Qualitäten als Macher, der neue Wege sucht, bewiesen. Seit 1985 sitzt Thielen im Vorstand von Bertelsmann und genießt das Vertrauen der Eignerfamilie Mohn. Nach dem aggressiven Expansionskurs unter Middelhoff ins Ausland und in neue Medien stand Thielen für einen Unternehmenslenker mit einer ruhigeren Hand.

Zunächst verordnete der Vater zweier Kinder dem Konzern angesichts von Schulden in Höhe von rund vier Mrd. Euro eine zweijährige Konsolidierungsphase und schuf dezentrale Strukturen, um eigenverantwortliche Unternehmer im Unternehmen aufzubauen. Internet-Beteiligungen wie BOL oder AOL Europe standen auf der Verkaufsliste.

Börsegang abgewandt

Gleichzeitig stärkte Bertelsmann sein Kerngeschäft, expandierte etwa mit dem Club-Geschäft nach China und in die USA, baute Service-Center in Indien und Polen auf und expandierte mit der Fernsehtochter RTL nach Osteuropa. Unter der Regie von Thielen wurden auch die Musikverlage Bertelsmann Music Group und Sony Music fusioniert, die Tiefdruckaktivitäten von Bertelsmann und Axel Springer zusammengelegt und die Verlagsgruppe Motorpresse mehrheitlich übernommen. Immer im Blick: Das Ziel einer zehnprozentigen Umsatzrendite in diesem Jahr.

Unter Thielen bereitete sich Bertelsmann auch auf einen möglichen Börsengang 2006 vor. Doch Vorstand und Eignerfamilie wandten ihn ab - zum Preis von 4,5 Milliarden Euro, der für den Anteilsrückkauf von der Groupe Bruxelles Lambert fällig wurde. Bis Ende 2007 gilt nun Expansionszurückhaltung, um die internen Verschuldungsziele wieder zu erreichen. Dafür bleibt Bertelsmann ein privates Unternehmen. Der Rückkauf "sichert dem Vorstand größtmöglichen Handlungsspielraum bei der Führung der Geschäfte", hatte Familien-Sprecherin Liz Mohn, die Frau des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn, begründet. Keine börsenüblichen Dividenden zahlen zu müssen, sichere dem Konzern mehr Finanzmittel für das künftige Wachstum, hatte Thielen erläutert.

Der promovierte Maschinenbauer Thielen hatte zunächst verschiedene Führungspositionen bei dem Chemie-Konzern BASF inne, bevor er 1976 als technischer Leiter zur Wintershall-Raffinerie nach Kassel ging. 1980 zog es den geborenen Saarländer dann in die Druckindustrie und zum Bertelsmann-Konzern, dem er bis heute treu geblieben ist. Als er 1985 Vorstandsmitglied wurde, übernahm der den damaligen Unternehmensbereich "Druck- und Industriebetriebe" mit einem Umsatz von nicht mal einer Milliarde Euro und rund 9.000 Mitarbeitern.

Seinem Nachfolger Ostrowski übergab Thielen 2002 einen Umsatz von mehr als 3,7 Mrd. Euro und die Verantwortung für mehr als 30.000 Arvato-Beschäftigte. Nun sind die Dimensionen größer: 2005 erlöste Bertelsmann mit seinen sechs Sparten 17,9 Mrd. Euro, beschäftigt über 92.000 Mitarbeiter und ist in mehr als 60 Ländern vertreten. (APA/Reuters)