Verwaltungsgerichtshofpräsident Clemens Jabloner zeigt auf, wie man in Kärnten endlich verfassungskonforme Zustände herstellen könnte.

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Derzeit ist allenthalben davon die Rede, dass es an einer verfassungsrechtlichen Handhabe fehle, in Kärnten verfassungsmäßige Zustände herzustellen. Meiner Ansicht nach könnten aber bereits auf dem Boden der geltenden Bundesverfassung wirksame Maßnahmen gesetzt werden:

Nach Art. 11 Abs. 1 Z. 4 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) wird die Straßenverkehrsordnung (StVO) von den Ländern selbstständig vollzogen. Die Bundesregierung kann den Landeshauptmann von Kärnten aber nur in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zur Verantwortung ziehen. Zu beachten ist allerdings, dass es im gegebenen Fall auch um die Vollziehung einer völkerrechtlichen Verpflichtung geht, des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Staatsvertrages von Wien.

Die aus dieser Bestimmung resultierende Verpflichtung, zweisprachige Ortstafeln anzubringen, ist gemäß Verfassungsgerichtshof unmittelbar anwendbar.

Damit ist sie, ganz im Sinne der materiellen Transformation einer völkerrechtlichen Verpflichtung, in das straßenpolizeiliche Regelwerk gleichsam hineinzuflechten, eine in der österreichischen Rechtsordnung sehr häufig vorkommende Situation. Daraus ergibt sich, dass - sobald nach der Straßenverkehrsordnung überhaupt Ortstafeln anzubringen sind - diese zweisprachig zu beschriften sind.

Damit werden aber die Verfassungsnormen der Art. 16 Abs. 4 und Abs. 5 B-VG einschlägig:

Nach Abs. 4 sind die Länder verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbstständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Staatsverträgen erforderlich werden; kommt ein Land dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so geht die Zuständigkeit zu solchen Maßnahmen, insbesondere zur Erlassung der notwendigen Gesetze, auf den Bund über.

Anklage gegen Haider

Nach Abs. 5 hat der Bund bei Durchführung völkerrechtlicher Verträge das Überwachungsrecht auch in solchen Angelegenheiten, die zum selbstständigen Wirkungsbereich der Länder gehören. Hiebei stehen dem Bund die gleichen Rechte gegenüber den Ländern zu wie bei den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102 B-VG).

Meines Erachtens laufen beide Ermächtigungen auf das gleiche Ziel hinaus: Abs. 4 lässt die Zuständigkeit zur Erlassung der Durchführungsverordnungen aufgrund der StVO an den Bund übergehen. In der vorliegenden Konstellation - die Zuständigkeit des Bezirkshauptmannes ist ja ausdrücklich festgeschrieben - hat dies aber bloß einen Wechsel in der Verbandskompetenz zur Folge.

Dazu passt dann die Anordnung des Abs. 5, der den Wechsel von der Landesvollziehung im Sinne des Art. 11 B-VG zur mittelbaren Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 Abs. 1 B-VG bewirkt. Der Hinweis auf Art. 102 hat die Bedeutung, dass alle für die mittelbare Bundesverwaltung in Betracht kommenden Verfassungsvorschriften Anwendung finden (so etwa schon Ludwig Adamovich 1927). Damit wird aber auch Art. 103 Abs. 1 B-VG einschlägig, also die Ermächtigung des zuständigen Bundesministers, die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln mittels Weisung an den Landeshauptmann durchzusetzen.

In weiterer Konsequenz kann dann auch Art. 142 Abs. 2 lit. e B-VG greifen, wonach die Bundesregierung den Landeshauptmann wegen Nichtbefolgung einer Weisung beim Verfassungsgerichtshof anklagen kann. Ob dieser Weg beschritten wird, ist freilich eine politische Frage.

Der zitierte Art. 16 B-VG bietet aber alternativ auch die Möglichkeit, dass der Bund selbst die entsprechenden generellen Rechtsgrundlagen schafft. In diesem Zusammenhang ist auch noch auf Art. 11 Abs. 3 B-VG hinzuweisen, nach welcher Bestimmung der Bund die Erlassung von Durchführungsverordnungen nach der StVO wieder an sich ziehen kann.

Der Bund kann diese Kompetenz auch teilweise in Anspruch nehmen, eben insoweit, damit einer völkerrechtlichen Verpflichtung entsprochen wird.

Überhaupt hätte der Bund (der Verkehrsminister) nach Art. 15 Abs. 8 B-VG das Aufsichtsrecht über die selbstständige Landesvollziehung wahrzunehmen. In diesem Rahmen können zwar keine Weisungen ergehen, wohl aber kann entsprechender Druck auf die Landesregierung ausgeübt werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.1.2007)