1000 Euro Mindest- lohn, wie sie sich Friseure in die Geldbörse oder die Lockenwickler stecken können. Offen ist die Einbindung von Angestellten in Kanzleien.

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Wien – 21-mal kommt auf den 167 Seiten des neuen Regierungsprogramms das Wort "Sozialpartner" vor – Beteiligte interpretieren dies als ein Zeichen der Wertschätzung der österreichischen Institution, nachdem zur Zeit der „Wende“ die Sozialpartnerschaft nur mehr "punktuell" eingebunden worden war.

Teilweise werden den wieder geschätzten Interessensvertretern darin ambitionierte zeitliche Vorgaben gegeben, teilweise wird ihnen Konsultation zugesagt. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat deswegen angekündigt, so bald wie möglich die vier Präsidenten von Gewerkschaft, Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer zu treffen, um eine Prioritätenliste der zahlreichen geplanten Maßnahmen zu erstellen. Andere involvierte Ministerien haben noch um zwei Wochen Frist zur Neuordnung gebeten.

Etwas verzögert wird der Start auch durch den Bundeskongress des ÖGB (22. bis 24. Jänner), wo sich Präsident Rudolf Hundstorfer zunächst wiederwählen lassen muss. Vermutlich auch deswegen kam WKÖ-Präsident Christoph Leitl zuletzt noch nicht mit konkreten Forderungen auf den Tisch, was etwa die Aufteilung der beschlossenen Erhöhung der

Krankenversicherungsbeiträge um 0,15 Prozent zwischen Arbeitnehmern und -gebern betrifft. Einer großer Brocken, die von den Sozialpartnern gestemmt werden soll, ist der Mindestlohn von 1000 Euro pro Monat. Dieser möge in einem "Generalkollektivvertrag" verankert werden (eine Festschreibung per Gesetz kommt für den VP-Wirtschaftsflügel nicht in Frage). ÖGB-Vizepräsident Karl Klein sagt im Standard-Gespräch, der Mindestlohn sei vor allem für Arbeiter im Dienstleistungsbereich relevant. Branchen, in denen der Mindestlohn noch unter 1000 Euro pro Monat liegt, sind beispielsweise: Fußpflege, Kosmetik, Massage, Gartenbau, Taxi- und Mietwagen, Feinkosterzeugung. Die zuletzt viel zitierten Friseure haben bereits einen etwas höheren Mindestlohn.

Unter 1000 Euro liegen die Mindestlöhne auch noch bei den Angestellten von Freiberuflern, also Ärzten, Notaren, Rechtsanwälten und Immobilientreuhändern. Und für jene kann die Wirtschaftskammer als Vertreterin gewerblicher Berufe nicht verhandeln. "Wir erwarten eine harte Diskussion", so Klein. Ärztekammer-Präsident Reiner Brettenthaler sagt auf Anfrage: "Der überwiegende Anteil der Angestellten in Arztpraxen wird meines Wissens nach weit über dem KV bezahlt." Er können sich aber vorstellen, dass seine Standesvertretung dem Generalkollektivvertrag doch auch folgen werde.

Ein weiteres ambitioniertes Vorhaben ist die "Neukodifizierung" des Arbeitsrechtes. Dafür soll bis Ende 2007 ein "Strukturierungsvorschlag" stehen, was laut Christoph Klein, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der AK, "einen Haufen Arbeit" bedingt, denn die Neugestaltung des wenig transparenten und "teilweise noch in Gutsherrendeutsch abgefassten" Konvoluts Arbeitsrecht sei ein "Jahrzehntewerk". Dabei geht es unter anderem um eine moderne Definition des Begriffs "Arbeitnehmer", abgegrenzt von den „Atypischen“ wie freien Dienstnehmern und "Neuen Selbstständigen". Derzeit ist es so, dass in Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht unterschiedliche Kriterien für die Einstufung als Arbeitnehmer gelten.

Für Martin Gleitsmann, Chef-Sozialpolitiker in der Wirtschaftskammer, hat aus aktuellen Gründen – Facharbeitermangel im metallverarbeitenden Gewerbe – die Verhandlungen zur Öffnung des Arbeitsmarktes für Bürger der neuen EU-Länder vor 2009 Priorität in den Sozialpartnergesprächen. Gesenkt werden sollte dabei die 2200-Euro-Grenze, ab der ausländische "Schlüsselkräfte" nicht mehr in die Quotenregelung fallen. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.1.2007)