max Min: "Bright is the Silence"

Sich gesanglich an der ruhigen Spätphase der Beatles zu orientieren und dazu sanft die Gitarre anzuschlagen bringt mit Sicherheit ein harmonisches Ergebnis - drum versuchen's ja so viele und sterben nur allzuoft in Schönheit. Max Tertinegg alias max Min aus Graz fügt aber eine entscheidende Ergänzung ein: Keyboard-Effekte quäken, zirpen und röhren in allen Klangschattierungen zwischen Saiten- und Stimmbandeintracht durch; nicht aufdringlich, aber stets präsent. - Was das für einen Unterschied macht? Denselben wie zwischen einer künstlichen Holzplantage (wurscht wie ebenmäßig der Baumwuchs) und einem richtigen Wald mit Unterholz und Tieren: Es lebt. Sehr schöne Platte. (Kalinkaland Records/Hoanzl)

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max Min

Coverfoto: Kalinkaland Records

Falco: "Hoch wie nie"

Am 19. Februar hätte Falco seinen 50. Geburtstag gefeiert - und seine Ausnahmestellung unter den heimischen MusikerInnen demonstriert allein schon, dass nicht einmal auf dieser umfangreichen Kollektion (2 CDs mit 34 Stücken) wirklich alle Falco-Songs, die einem so spontan einfallen, drauf sein können. Die meisten Singles sind's aber, von den Ruhmestaten der Frühzeit ("Auf der Flucht", "Junge Roemer", "Helden von heute") bis zum 1999 posthum veröffentlichten "Out of the Dark". Erhellender als das Booklet-Vorwort von Hans Dichand (!!! file under: bizarre) ist die Werkschau selbst: Illustriert sie doch, wie stark Falco das Zeitgefühl jener Aufbruchsära verkörperte, in der sich das bleigraue Wien der 70er Jahre plötzlich in eine hippe Stadt wandelte - so sehr, dass er in den 90ern nie mehr dieselbe Rolle einnehmen konnte wie in den 80ern. (Sony)

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OfficialFalco.com

Coverfoto: Sony

Naked Lunch: "This Atom Heart of Ours"

... und mit dem neuen Werk von Oliver Welter, Herwig Zamernik und Stefan Deisenberger wäre das Österreich-Trio dieses Monats komplett. Auffälliger noch als der Unterschied zu Naked Lunchs Vorgänger-Album "Songs For The Exhausted" ist die langfristige Evolution der Band vom Rock zu einem Genre-mäßig nicht wirklich fassbaren Sound. Das Songwriting nimmt einige Anleihen bei den 60er Jahren und entwickelt daraus eine imposante Vielfalt: vom bombastischen "Military of the Heart" bis zum in olympischen Höhen kreisenden "In the Dark". Viel besser kann Gitarrenmusik derzeit nicht sein. (Louisville Records/Universal)

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Naked Lunch

Coverfoto: Louisville Records

Saint Etienne: "What have you done today Mervyn Day?"

Jenseits seiner Hauptveröffentli­chungen hat das Londoner Trio stets auch anlassbezogene Musik komponiert und für klangliche Experimente genutzt. Wie hier den Soundtrack zum gleichnamigen Film über einen unansehnlichen Teil Londons, der bis 2012 unter dem Olympischen Dorf verschwinden wird: 18 instrumentale Miniaturen, sehr ruhig und melancholisch. - Wer's lieber hat, wenn Bob, Pete und Sarah die leichtere Muse pflegen, ist mit der ausgesprochen gelungenen 2006er Ausgabe der alljährlichen Winter- und Weihnachts-EP sehr gut bedient: dem ätherischen "Through the Winter" und dem fröhlichen Shingaling von "21st Century Christmas" - erhältlich nur für Fanclubmitglieder oder eben hier zum Download. (Saint Etienne/recordstore.co.uk)

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Saint Etienne

Elke Brauweiler: "Twist à Saint Tropez"

Die Frau, die aus ihrer Frankophilie noch nie ein Geheimnis gemacht hat und musikalisches Plastik als kostbares Gescmeide betrachtet, ist hauptberuflich Sängerin der Berliner Band Paula. Für ihr Solo-Debüt hat sich Elke Brauweiler durch ein halbes Jahrhundert französischsprachigen Pop gewühlt und die besten / schrecklichsten / plattesten / schillerndsten Fundstücke gecovert: Von Serge Gainsbourgs "Couleur Café" bis zu Prinzessin Stéphanies "Irresistible" - alle mit der gleichen Liebe bedenkend ... wie eine Mutter, die auch in ihrem hässlichsten Kind nur das Schöne sieht. Ein Heuler! (Königskinder Schallplatten)

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Elke Brauweiler

Coverfoto: Königskinder

Bernd Begemann: "Ich werde sie finden"

Wenn der entscheidende Dübel fehlt und wenn das Grübeln quält: Was hat unsere Wohnung bloß so entstellt? Wir sind alle in der IKEA-Falle! - Der Liedermacher mit dem Entertainment-Gen ist zurück, gibt sich inzwischen aber zumeist abgeklärter ... und als wahres Sound-Chamäleon: Der Hamburger rockt kurz mal auf, fliegt als Chansonnier "Auf den schwarzen Schwingen der Nacht" zu Klavierbegleitung dahin, versteigt sich in schwärmerische Liebeslieder, duettiert mit Regy Clasen im Beautiful South-Stil ("Irgendwie klappt es mit uns"), grummelt sich durch düstere Moritaten ("Ein Sportunfall") oder resümiert "Unser Sex nach zwei Jahren" und andere Dinge, die einen am Ende der ersten Lebenshälfte beschäftigen - und das ist furchtbar, und das ist schön. (Begafon)

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Bernd Begemann

Coverfoto: Begafon

Joakim: "Monsters & Silly Songs"

Die Geisterbahnfratzen vom Cover finden im Inneren ihre Entsprechung: In elegant verpackten textlichen Verweisen auf die Spuk- und Schauerkultur einerseits und diversen Soundelementen andererseits. Da entfaltet "Sleep in Hollow Tree" metallische Düsternis, da klingt "Tanabata" wie die Live-Begleitung zu einem expressionistischen Stummfilm der 20er Jahre. Der französische DJ und Produzent Joakim Bouaziz spielt die gesamte Electronica-Bandbreite zwischen Kraftwerk und Videospielsound aus - und wer nach den ersten paar Nummern noch annimmt, es mit einem 80er Jahre-Retro-Ding zu tun zu haben, wird bald eines Besseren belehrt werden. (Versatile/Soulseduction)

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Joakimikaoj.com

Coverfoto: Versatile/!K7

Josh Ottum: "Like the Season"

Josh Ottum ist jemand, der jeden Versuch, die Entwicklung eines Songs voraussagen zu können, sabotiert. Der Singer-Songwriter aus Seattle hat kompositorische Finessen auch Jahre lang im Rahmen anderer Bands üben können, ehe er sich nun übers Solo-Debüt drübertraute. Die Strategie zeigt Erfolg: "Like the Season" mag Erinnerungen an Vieles wecken - von Ben Folds über Phoenix bis zu Randy Newman -, überzeugt aber durch Kreativität nicht nur bei den abwechslungsreichen Arrangements, sondern auch in der Strukturierung der einzelnen Songs. (Tapete/Hoanzl)

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Josh Ottum

Coverfoto: Tapete

Under Byen: "Samme stof som stof"

Die psychische Wetterlage bleibt stürmisch und düster bei Henriette Sennenvaldts Oktett aus dem dänischen Århus. Post-rockige und kammermusikalische Wolkenfronten prallen aufeinander, Percussion-Donner wallt auf, Sounds schwellen an und klingen ab, ein steter Wechsel ist die einzige Konstante: Musik wie ein meteorologisches Panorama. (Morningside Records/PIAS)

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Under Byen

Coverfoto: Morningside Records/PIAS

Virginia Jetzt!: "Land unter"

Warum sich manche bloß so über Deutsch-Rock bzw. -Pop ereifern? Mir scheint's um einiges näher an unserer Lebenswelt dran zu sein als das neueste Anglo-Rock-Ding vergleichbaren Innovationsgehalts - aber bitte. Das gern unterschätzte Brandenburger Quartett Virginia Jetzt! räumt Streichern und vor allem dem Klavier stellenweise prominenten Platz ein, bleibt aber im Kern natürlich eine Gitarrenband mit Treibkraft. Und trotzdem haben sie ihren stärksten Moment wieder just dann, wenn sie sich ans große Melodram wagen wie in "Die Teile deines Lebens". Und schmähenden Stimmen halten sie schlicht entgegen: Ich muss hier gar nichts beweisen: Das klingt auch von ganz allein. Ich hau so lange in die Tasten, bis das Lied mich verführt. (Universal)

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Virginia Jetzt!

Coverfoto: Universal