Kunst und Mode pflegen ein parasitäres Verhältnis. Die eine nascht an der anderen, meist ist die Kunst der Wirt, doch manchmal auch die Mode. Letztere hat eine Erhöhung der eigenen symbolischen Position besonders nötig. Schließlich wird sie beharrlich mit Oberflächen- und Glamourverdächtigungen konfrontiert. Vielleicht ist genau das der Grund, warum sie die Mythen der Kunst fast vollständig in ihr eigenes System inkorporiert hat. Der Geniekult steht dabei an erster Stelle.

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Genauso, wie ein Kunstwerk von einem singulären Künstler geschaffen wird, ist - so die landläufige Meinung - Mode das Produkt eines von der Muse geküssten Designers. Mit Magie aufgeladene Namen wie jene von Giorgio Armani, Miuccia Prada, Stefano Gabbana und Domenico Dolce künden davon.
Max Mara gehört nicht in diese Namensliste - obwohl das Unternehmen aus Reggio Emilia zu den wirklich großen italienischen Modeplayern gehört und eine ganze Reihe namhafter stilisti (von J. C. de Castelbajac bis Karl Lagerfeld) aufzuweisen hat.

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Erwähnt wurden sie allerdings nie, schließlich erarbeiteten sie die Kollektionen auch nicht allein, sondern mit einem Stab an Mitarbeitern des Design- teams. Hinzu kommen die Ausführenden in der Modellabteilung, der Schnittentwicklung oder der Fertigung. Oder wie Luigi Maramotti, Sohn des Firmengründers Achille und CEO des Unternehmens, sagt: "Der Designer ist nur ein Rädchen in einem sehr großen Apparat. Und oft beileibe nicht das wichtigste."

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Bei Max Mara herrscht ein spirito di bottega, eine starke Firmenphilosophie, die sich nicht auf die Kraft des Einzelnen, sondern auf die Stärke des Teams gründet. Genau jenen stellt man auch in einer anlässlich des 55-jährigen Firmenjubiläums ausgerichteten Ausstellung im Berliner Kulturforum in den Vordergrund: eine mustergültige Schau über die Entwicklung eines Unternehmens und die Geschichte des italienischen Prêt-à-porter in einem. In den Mittelpunkt hat man dabei den Mantel gerückt, das Insignium der edlen italienischen Mode.

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Für Max Mara aber ist er mehr, Erfolgsprodukt und nicht zuletzt in Form des seit 1981 über 135.000-mal verkauften Models 101801 eine veritable Cashcow. Der Kamelhaarmantel ist noch heute in jeder Winterkollektion enthalten. Entworfen wurde er von Anne Marie Beretta, einer der zwei Designerinnen, die in der Geschichte des Unternehmens nie in den Vordergrund gedrängt wurden, es aber maßgeblich prägten.

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Laura Lusuardi ist die Zweite im Bunde, Grande Dame mit guter Bodenhaftung und Gedächtnis des Betriebes. Regelmäßig tingelt sie durch die weltweit wichtigsten Designschulen und rekrutiert neue Talente für das Unternehmen, zu dem neben der Hauptmarke Max Mara noch eine ganze Reihe anderer Linien, darunter Max & Co, Sportmax, Pianoforte und Marina Rinaldi gehören. Letztere war die Großmutter Achilles und ist Namensgeberin für eine Kollektion, die für fülligere Damen gedacht ist.

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Pragmatismus zeichnet das Unternehmen seit seinen Anfängen aus, als es 1951 vom promovierten Juristen Achille Maramotti gegründet wurde. Die wichtigsten Linien zeigt man zwar bei den Schauen der Alta Moda in Mailand, wichtiger aber als die Innovation ist die Beständigkeit. Und das in jeglichem Sinne. Auch einen Mantel, so das Firmenoberhaupt, wolle man schließlich mehrere Saisonen tragen.
Pragmatismus bedeutet im Falle Max Maras auch die Betonung der Serienproduktion. Glaubt man den Maramottis, dann geht die Erfindung des Prêt-à-porter in Italien sogar auf ihre Kappe.

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Besonders interessant sind denn in der Schau jene ersten Jahrzehnte, als sich die Mode ihr System erst erarbeiten musste - als sich die Frage stellte, ob man auf die Mode als Produkt künstlerischer Produktion oder industrieller Fertigung setzen sollte. Die Maramottis entschieden sich für Letzteres. Und sollten damit nicht fehlgehen. (Stephan Hilpold/Der Standard/Rondo/12/01/2007)

"Coats! Max Mara, 55 Jahre Mode aus Italien" läuft bis 4. März im Kulturforum Berlin.
Staatliche Museum zu Berlin

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