Seattle/San Francisco - Einer der Ärzte der behinderten neunjährigen Ashley aus den USA, Douglas Diekema, hat die weltweit kontrovers diskutierte Behandlung des Mädchens verteidigt. "Wir haben sehr gründlich darüber nachgedacht, ob bestimmte Behandlungen helfen könnten oder nicht", sagte der Mediziner in der "Bild am Sonntag".

Mit Operationen und einer Hormontherapie ist das Mädchen auf dem körperlichen Entwicklungsstand einer Sechsjährigen gehalten worden, unter anderem damit es weiter von seiner Familie zu Hause im US-Bundesstaat Washington gepflegt werden kann. Das Mädchen leidet nach Angaben der Eltern an einer irreversiblen Hirnschädigung, eine Aussicht auf Besserung ist nicht in Sicht.

"Ein, zwei beunruhigende E-Mails"

"Die Entscheidung fiel nach einer langen Diskussion, und erst nachdem höchst verantwortungsvolle Mitglieder unseres Ethik-Ausschusses die Eltern angehört haben und gesehen haben, wie sie mit ihrer Tochter umgehen", sagte Diekema der Zeitung. Neben "ein, zwei beunruhigenden E-Mails" habe er auch viel zustimmende Post erhalten. "Jedes Mal, wenn wir Medikamente verschreiben, ein gebrochenes Bein behandeln oder versuchen, Krebspatienten zu heilen, verändern wir Dinge, die ansonsten eine natürliche Entwicklung gewesen wären", erklärte der US-Mediziner aus Seattle in der "BamS".

"Peter Pan-Variante moralisch falsch"

Arthur Caplan, Medizinethiker an der University of Pennsylvania, kritisierte den Eingriff, das Mädchen am Erwachsen werden zu hindern. "Ich glaube, dass die Peter Pan-Variante moralisch falsch ist", schrieb Caplan am Sonntag in einem Kommentar in der US-Zeitung "Milford Daily News". "Ashley klein zu halten ist eine pharmakologische Lösung für ein soziales Versagen - die Tatsache nämlich, dass die amerikanische Gesellschaft für schwer behinderte Kinder und ihre Familien nicht genug Hilfe leistet".

Die Mediziner entfernten dem Kind die Gebärmutter, um laut Eltern Krebs oder Unannehmlichkeiten und Beschwerden durch die Menstruation zu verhindern. Die Entwicklung der Brust hemmten die Ärzte durch Entfernung der Brustknospen; zweieinhalb Jahre lang bekam Ashley in hohen Dosen das weibliche Geschlechtshormon Östrogen verabreicht. Die Östrogentherapie habe das Wachstum des jetzt 135 Zentimeter großen Mädchens gebremst.

Enormes Echo

Die Eltern teilten online mit, ihre Webseite habe seit Bekanntwerden der Geschichte in den Medien über eine Million Zugriffe erhalten. In 48 Stunden seien mehr als 1.000 Kommentare eingegangen. Im Internet erfuhren die Eltern Unterstützung, aber auch massive Kritik. "Abscheulich", "grotesk" und "wie bei Frankenstein", hieß es. "Hier haben die Ärzte nur wieder versucht, Gott zu spielen."

In einem öffentlichen Brief erklärten die Eltern ihre Beweggründe. "Ashley geht es gut, sie ist gesund, glücklich und wird liebevoll betreut", heißt es auf der eigens eingerichteten Internetseite. "Die "Ashley Behandlung" hat den Zweck, die Lebensqualität unserer Tochter zu erhöhen und nicht die Bequemlichkeit ihrer Betreuer."

"Weil sie so süß ist ..."

Die Ursache für die Krankheit des Kindes ließ sich den Eltern zufolge trotz unzähliger Untersuchungen nicht klären. Ashley ist nach Angaben ihrer Eltern auf dem geistigen Entwicklungsstand eines drei Monate alten Babys. Sie könne sich nicht selbst bewegen, umdrehen oder den Kopf halten, geschweige denn ein Spielzeug in die Hand nehmen. "Wir nennen sie unseren Kissen-Engel", schreiben die Eltern, "weil sie so süß ist und immer genau da bleibt, wo wir sie hinlegen - normalerweise auf ein Kissen". (APA/dpa)