Stevan Harnad, Professor für Kognitionswissenschaften.

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Stevan Harnad, "Prediger" der "Open Access"-Bewegung, erklärt, warum Wissenschafter ihre Arbeiten digital publizieren sollten und was der Unterschied zwischen grünem und goldenem Zugang ist. Klaus Taschwer fragte nach.

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STANDARD: Herr Professor Harnad, ich gehe davon aus, dass Sie von den großen Verlagen wie Elsevier, Springer und Co wegen Ihres Kampfes für Open Access ziemlich gehasst werden.

Harnad: Ich bin mir da nicht so sicher. Ich bin in erster Linie ein Verfechter des "grünen" offenen Zugangs, und sowohl Springer wie auch Elsevier haben in der Zwischenzeit bereits ihre Zustimmung dazu gegeben.

STANDARD: Was bedeutet "grüner" offener Zugang?

Harnad: Das bedeutet, dass Wissenschafter ihre Texte in Form ihrer endgültigen Manuskripte - aber nicht als PDF aus der Zeitschrift, wo sie veröffentlicht wurden - ins Netz stellen dürfen. Und daraus erwächst den Verlagen kein Nachteil, denn ihre Zeitschriftenabonnements werden deshalb nicht abbestellt. Die Wissenschafter hingegen profitieren davon enorm: Sie können dadurch die Verbreitung ihrer Arbeit und die Zitierungen durch andere Wissenschafter steigern.

STANDARD: Wo sollen Wissenschafter ihre Arbeiten am besten archivieren? Auf der eigenen Homepage oder am Server der Universität?

Harnad: Meiner Ansicht nach sind digitale Publikationsportale der Institution des jeweiligen Forschers der ideale Ort. Das wird an vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen weltweit so gehandhabt. Ein Verzeichnis sämtlicher zurzeit rund 800 Portale findet man im übrigen unter http://archives.eprints.org/

STANDARD: Dann gibt es aber auch noch den "goldenen" offenen Zugang. Was ist denn darunter zu verstehen?

Harnad: Das sind Zeitschriften, die nach dem Prinzip des offenen Zugangs funktionieren. Das heißt, der Autor bzw. seine Institution zahlt für die Veröffentlichung, die Zeitschrift selbst aber ist gratis und offen zugänglich. Heute gibt es rund 24.000 Zeitschriften mit Peer-Review, also der Begutachtung durch Kollegen vor der Veröffentlichung. Rund zehn Prozent davon erscheinen nach dem Prinzip des "goldenen" Open Access; da gehören mittlerweile auch Zeitschriften von Springer und demnächst auch von Elsevier dazu.

STANDARD: Wagen Sie eine Prognose: Wie wird der wissenschaftliche Publikationsmarkt in fünf Jahren aussehen? Wird es in fünf Jahren mehr oder weniger wissenschaftliche Zeitschriften geben? Und wie viele werden "goldenen" Open Access bieten?

Harnad: Es wird wahrscheinlich mehr Zeitschriften geben, weil ja auch die Forschung mehr wird und die Anzahl der Forscher steigt. Ob bis dahin alle Zeitschriften "golden" sind, ist nicht so wichtig. Ich kümmere mich hier und jetzt vor allem darum, dass es zu 100 Prozent grünem Open Access kommt und dass alle Forschung offen zugänglich gemacht wird. Das ist eine optimale Lösung, sie ist unvermeidlich und überfällig. (DER STANDARD, Printausgabe, 3. Jänner 2007)