Was gerne mit dem wenig schmeichelhaften Ausdruck "Bummelstudium" bedacht wird, ist der Regelfall: Schon alleine deshalb, weil die meisten Studien in der Mindestzeit fast nicht machbar sind.

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Wien – Auf der Homepage von Alfred Gusenbauer steht es noch immer wie das zentrale bildungspolitische Glaubensbekenntnis des SP-Vorsitzenden: „Studiengebühren: Ungerechtfertigt und unsozial. Die werden wir abschaffen.“ Die Internetseite ist ein Relikt aus Wahlkampfzeiten. Seit damals schrumpfte die hochtrabende Abschaffungsankündigung gehörig. Die SPÖ entfernte sich in homöopathischen Dosen von der absoluten Abschaffungsforderung. Nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen, die der beabsichtigten Regierungsbildung mit der ÖVP geschuldet sind. Die Volkspartei zeichnet sich nämlich bisher vor allem durch absolute Bewegungsunwilligkeit in dieser Frage aus. Die Noch-Kanzlerpartei weigert sich standhaft, die von ihr selbst im Jahr 2001 mit dem damals noch FPÖ heißenden Koalitionspartner eingeführte Gebühr wieder zurückzunehmen. ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek plädierte am Dienstag erneut dafür, „alles zu lassen, wie es ist“, denn ein gebührenfreies Regelstudium würde einen Ansturm deutscher Studierender provozieren. Teilzeitgebühren seien schwer zu administrieren. Die Studiengebühr solle auf dem „derzeitigen erträglichen Niveau beibehalten werden“ (363 Euro pro Semester), meinte Brinek.

Als höchstes Zugeständnis bekundete die ÖVP bis jetzt in der rot-schwarzen Bildungsuntergruppe nur, die Stipendien ausweiten und aufstocken zu wollen. Die SPÖ kontert mit regelmäßigen Konsensangeboten und landet immer weiter bei der Nicht-Abschaffung oder, wie es ihr Wissenschaftssprecher Josef Broukal nennt, „de facto“-Abschaffung als Ausweg aus der roten Wahlkampf-Sackgasse. Vor allem die weihnachtliche Frohbotschaft für die Studierenden durch den Parteichef selbst hatte für Aufruhr gesorgt. Gusenbauer hatte das Wort „Abschaffung“ durch „Reparatur“ der Studiengebühren ersetzt – unter besonderer Berücksichtigung einer Studentengruppe: Den „Bummelstudenten“ soll es künftig ans Börsl gehen.

Aus Jus wurde Politik

Mehr brauchte er nicht. „Frechheit“ meinten die juvenilen parteiinternen Widersacher. Die Genossen im Verband sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) ergingen sich in historischer Ursachenforschung und wurden fündig: Ganze neun Jahre habe der nunmehr nicht mehr so abschaffungswillige SP-Chef an der Uni verbracht. Gusenbauer studierte von 1978 bis 1987, da schloss er sein Politik- und Philosophiestudium, das er eigentlich als Jus-Studium begonnen hatte, mit einer Doktorarbeit über die österreichische Friedensbewegung ab. Die Arbeit war so ausgezeichnet, dass sogar sein großes Idol Bruno Kreisky zur Promotion kam. Ob dieser bildungshungrige „Wankelmut“ in Gusenbauers Modell, das ein gebührenfreies „Durchschnittsstudiendauer-Studium“ und ein Teilzeitstudium für berufstätige Studierende mit Teilgebühren vorsieht, noch reizvoll wäre, ist offen. Derzeit schließt nur jeder sechste Studierende das Studium in Mindestzeit ab. Vom Teilzeitstudium, das auch die Rektorenkonferenz fordert, würden viele profitieren, und es wäre „im Zeitalter der Voll-EDV-Ausstattung kein Problem“, sagte Broukal. Laut Hochschulbericht 2005 waren zwei Drittel der Absolventen von 2002/03 zumindest gelegentlich berufstätig. Für ungeplante Verzögerungen (Krankheit etc.) schlägt Broukal eine „Härtefall-Kommission“ als Schiedsinstanz vor.

(Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 3.1.2006)