Prosit

Montag, der 1. Jänner 2007. 2006 ist vorbei und wer sich an dieser Stelle einen Jahresrückblick erwartet hat, samt Höhen und Tiefen und chronologischer Abfolge, muss leider enttäuscht werden, denn 2006 war gestern. Es blieb lediglich ein diffuser Nachgeschmack im Mundraum kleben. Neben dem langsam tranig werdenden Neujahrslachs , der irgendwo hinten zwischen den Backenzähnen schlummert und dem Sektdunst, der von der Lunge bei jedem Mal Ausatmen an den Gaumen gedampft wird, hat sich eine Erinnerung an allen oral lokalisierten Hindernissen vorbeigeschummelt, durch die Nebenhöhlen geschlichen und direkt ins Langzeitgedächtnis gesetzt.

Dabei dürfte sich der eine oder andere muntere Geist fragen, woher diese orale Fixierung in der Einleitung überhaupt rührt. Ganz einfach, weil die IT-Welt 2006 wieder ein Jahr der schnellen Worte und langsamen Erklärungen war. Über die innovativen, zig sehr wertvollen Erfindungen des Jahres hinweg geschaut, prägten einmal mehr die großen Debatten und technokratischen Scharmützel die Bildfläche.

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Vista

Omnipräsent, an vorderster Stelle posiert das Produkt des Jahres, die Software mit der Antwort auf die Frage, "was mache ich mit meinem alten PC", das neue Gehirn für 95 Prozent aller Desktops auf unserem Planeten. Windows Vista wurde verschoben und kam im November dann doch irgendwie auf den Markt – zumindest für Businesskunden. Allein dessen Erwähnung sorgte schon für kleine, immer neue Glaubenskriege zwischen den Plattformanhängern. Zynisch könnte man meinen, der Webstandard habe Microsofts neueste Schöpfung missbraucht, um endlich mehr Postings vorweisen zu können als die Politik, doch der Fall ist anders gestrickt. Alle Branchenzeitungen haben das "Thema" Vista ausgeschlachtet und jede noch so kleine Meldung publiziert. Denn wer interessiert sich denn nicht für den Nachfolger für sein in die Jahre gekommenes Betriebssystem. Und so konnte die Kritik gar nicht harsch genug ausfallen, als bereits nach der Veröffentlichung der ersten Beta klar wurde, die Erwartungen würden mit dieser Version nicht erfüllt.

Foto: Archiv

Wer immer noch glaubt, dies habe mit persönlichen Präferenzen zu tun, irrt gewaltig. Denn alle wünschten sich mit dem marktbeherrschenden Betriebssystem auch das Beste in den Händen zu halten. Doch wie es aussieht, spiegelt Windows-Neu auch diesmal nicht die Technologieführerschaft und Flexibilität von Linux wider und MacOSX bleibt das schickste und bedienungsfreundlichste System. So sind die Hoffnungen in Microsofts Umstrukturierung gesetzt, damit die vielen brillanten Entwickler und kreativen Köpfe aus dem Schatten des Softwareriesen heraustreten und ihre Ideen für Windows-Next verwirklichen können. Dabei sollten sich gleichzeitig alle über die Errungenschaften der smarten Linux-Gemeinde und die Kreationen der designdurchtriebenen Apple-Mitarbeiter freuen, denn wo bliebe der Fortschritt ohne Konkurrenz und die Produktvielfalt für den Konsumenten. Kritiklos jede Markteinführung anzunehmen, ist andererseits wenig zuträglich. Auch wenn für die Fans ganze Tempel aus dem Boden gestampft werden.

iPod-Killer

So ist es auch traurig, aber wahr – der viel besagte iPod-Killer hat es nicht auf die Bühne geschafft. In den Vorbereitungen dürfte ihm ein Apfelkern im Halse stecken geblieben sein. Nun vergebens war die aufmüpfige Wörter-Kombination dennoch nicht. Es ist egal, ob die Hersteller sich umsonst dieses Ziel gesteckt haben, denn die erzielten Fortschritte waren enorm. Heute kann sich der iPod technologisch nicht mehr absetzen von seinen Mitbewerbern, allein das Gesamtpacket macht noch den Unterschied. So hat Sony beispielsweise mit der neu ins Leben gerufenen Walkman-Serie in Sachen Sound und Fertigungsqualität allerhand geleistet, nur stimmt die Software noch rein gar nicht. Microsofts Zune war für ein Produkt der ersten Generation auch schon sehr weit und zeigt mit WLAN-Features, was noch so alles in mp3-Playern stecken kann. Für das gerade anlaufende Jahr wird also alles besser und ob iPod-Killer oder nicht, das Feld wird immer bunter und interessanter.

Killer-Spiele

Bleiben wir gleich bei den Killern. Genauer gesagt bei den Killer-Spielen, wie sie von den wahren Spezialisten propagiert werden. Es scheint als würden alle tragischen Zwischenfälle, in die Jugendliche als Täter involviert waren, zu ein und demselben Grundübel zurückzuführen sein. Immer noch herrscht bei einer großen Schar an Politikern und Meinungsträgern der Gedanke vor, gewalttätige Medieninhalte würden Gewalt provozieren. Nun tatsächlich gab es auch 2006 keinen Wissenschaftler, der diese These mit Fakten untermauern konnte. Deshalb an dieser Stelle kein Wort mehr zu dem Thema, bis irgendwann profunde Erkenntnisse und nachvollziehbare Argumente die Thematik neu beleuchten.

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Next-Gen

Der 2006 schon früh angesagte Kampf der Konsolen, wird auf Ende 2007 vertagt. Dann erst werden alle Hersteller ihre Zugpferde auf vollen Touren laufen lassen und die große Nachfrage bedienen können. Klar ist, dass beim Anblick der Produkte von Microsoft, Sony und Nintendo aufgepasst werden muss, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Wen nur die Spiele interessieren, der sollte so und so noch bis zum nächsten Weihnachtsfest mit der Anschaffung warten – die Lineups zum Beginn wissen en gros kaum zu überzeugen. Wer die PS3 will, zahlt und bekommt am meisten. Die Technologie ist führend und der vollwertige Blurayplayer- wie es aussieht - ein Schnäppchen. Die XBOX360 ist samt HD-DVD-Laufwerk eine günstigere Alternative und hat zurzeit mehr Spiele an Bord. Die Wii wird viel bewegte Freude bereiten und belebt den Markt. Lange wird es wahrscheinlich dennoch nicht dauern, bis deren Möglichkeiten erschöpft sind und die Konkurrenz die einst exklusiven Features für sich vereinnahmt hat. Deshalb könnte sie auf Dauer leider auch nicht viel mehr Wert sein, als ihr günstiger Anschaffungspreis von 250 Euro. Wer weiß, vielleicht zielt Nintendo ja auch nicht auf den üblichen Fünf-Jahres-Zyklus ab.

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DRM

Vom Zyklus ist es nicht weit zum Ablaufdatum und von dort nicht weit zum Urheberrecht-Tohuwabohu. Sonys Rootkit schoss den Vogel ab, aber auch andere gebärdeten sich ganz großartig in der Kunst des Rechtebeschneidens. Die DRM-Politik der Unterhaltungsindustrie ist selbstzerstörerisch, so könnte man resümieren. Anstatt die Konsumfreude unserer Kapitalistenherzen voll auszunützen, verderben sie mit immer restriktiven Kopierschutzmaßnahmen die süßen Früchte. Apple weigert sich, sein iTunes auch für andere Gerätehersteller zu öffnen, gewöhnliche CDs lassen sich nicht auf jedem Player abspielen und Filme tragen immer noch Ländercodes. Es scheint beinahe, die Industrie zöge es lieber vor, ihre Produkte nicht zu verkaufen als illegale Kopien zu riskieren. Bleibt zu hoffen, dass 2007 ein Umdenken stattfindet und wieder mehr auf die Inhalte geachtet wird, als auf die Einschränkung der Verbraucherrechte. Vielleicht ziehen dann auch wieder die Absatzzahlen nach oben.

Foto: Archiv

Web2.0

Über diesen Schlagwörtern stand im vergangenen Jahr trotzdem eines höher als alle anderen. Web2.0 ist das Wort 2006 und hat gute Chancen auch 2007 zu überleben. Was als vage Definition begann breitete sich zum Megahype der Internetgeneration aus. Es macht kaum Sinn, sich heute noch über die Bezeichnung an sich, mit ihrer ungenauen Abgrenzung, aufzuregen. Web2.0 hat natürlich schon viel früher existiert als Youtube und Picasa. Aber eines hat man so geschafft, dem User die vielen Möglichkeiten des Webs näher zu bringen und sie unter einen Hut zu räumen. In den Köpfen vieler mag Internet noch immer Google heißen, aber Web2.0 hat die Assoziationen ungleich weiter gestrickt. So mag diese Wortschöpfung aus Sicht eines Experten wenig sinnvoll sein, wenn man damit den Usern allerdings ein breiteres Verständnis für das Internet in all seinen Erscheinungsarten beibringen kann, war es der Zusatz "2.0" allemal Wert. (Zsolt Wilhelm)

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