Die Idee der Volksbefragung folgt der selben simplen Psycho-Logik wie die Sanktionen: Mit Irrationalität lässt sich Stimmung machen - kein vorwärtsgerichteter Ansatz.

Wie es angefangen hat: 14 europäische Staatenlenker haben in einer Telefon- und Dinner-Aktion innerhalb von 48 Stunden "Sanktionen" über Österreich verhängt, über ein Parlament, das einer - in deren Augen nicht europakonformen - Regierung mehrheitlich die Unterstützung zugesagt hat; alles in allem ein ziemlich irrational motivierter politischer Akt.

Das Parlament reagiert (zusammen mit der Regierung) darauf, nachdem bisherige Versuche, die (durchwegs) immateriellen Folgen der Ignoranz zu beseitigen, formal kein Ergebnis gebracht haben, ebenfalls ziemlich irrational, indem es das Volk befragen will. Lautete der Vorwurf der "EU-14", die europäischen Werte wären (vor allem wegen der "Natur der Freiheitlichen Partei") in Gefahr, so soll das Volk (über Umweg-Fragen) bestätigen, dass sie das nicht sind.

Stimmungsmache ...

Auch das Angebot der "EU-14", drei "Weise" sollten in Österreich die Einhaltung der Menschenrechte und die Natur der FPÖ überprüfen, mutet im zweiten Teil alles andere als modern und zeitgemäß an. Die "Natur" oder das "Wesen" einer Organisation bewerten zu wollen, ist zwar ernsthafter als das Orakel von Delphi zu befragen, repräsentiert aber dennoch ein nur bedingt rationales politisches Ansinnen.

Eine Volksbefragung wiederum erhofft eine Beauftragung betreffend das Verhalten Österreichs gegenüber EU-Institutionen, welche die Sanktionen gar nicht verhängt haben. Manche, die die Volksbefragung nicht wollen, versuchen, die Entscheidung über politische Berechtigung oder verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit dem Bundespräsidenten zuzuschieben - auch nicht gerade vernunftgeleitete Akte.

Alles in allem: Wie brauchen mehr Rationalität in der Politik! Wenn Europa an sich weiterarbeiten will, muss es zu einem vernünftigen Diskurs zurückfinden und zwar rasch.

... als Politikersatz?

In Dänemark beispielsweise steht eine EURO-Abstimmung vor der Tür, die positiv ausgehen soll, in Flandern sind es Wahlen, die aus europäischer Sicht nicht schief gehen dürfen. Jede weitere irrationale Aufladung verschlechtert jedenfalls die Chancen auf positive Ausgänge der Abstimmungen und motiviert etwa Umberto Bossi über eine EU-Ausstiegs-Volksabstimmung in Italien weiter laut nachzudenken.

Ein entscheidender Beitrag könnte damit geleistet werden, dass die drei "Weisen" rasch einen nachvollziehbaren Bericht vorlegen, der mittelfristig jene Parameter sichtbar macht, die "die europäischen Werte" und damit einen Ansatz für eine "Verfassung Europas" repräsentieren und unmittelbar jenen Staaten aus der Runde der "EU-14" die Chance auf einen raschen selbständigen Sanktionen-Ausstieg eröffnet, die ihr Interesse daran immer wieder artikulieren.

Die Reform und Weiterentwicklung der Europäischen Union ist wichtiger als Augenblickserfolge, die auf anti-rationaler Vernebelung und auf vormodernen politischen Reflexen beruhen.

Dr. Gertrude Brinek ist Abgeordnete zum Nationalrat, Universitätsassistentin am Insitut für Erziehungswissenschaft der Universität Wien und Wissenschaftssprecherin der Volkspartei.