Townes Van Zandt bei einem Wien-Konzert im Jahr 1994: Der große Songwriter und Storyteller starb am 1. Jänner 1997. Seine immense posthume Popularität verdankt er unter anderem Norah Jones. Er verdient sie trotzdem.

Foto: STANDARD/Fischer

Norah Jones verehrt ihn ebenso wie der Grazer Son Of A Velvet Rat, der ihm einen Abend widmet.

Wien – Wenige Wochen vor seinem Tod gastierte Townes Van Zandt ein letztes Mal in Wien, und wohl kaum jemand im Saal konnte sich vorstellen, dass dieses von Depressionen und Alkohol an Rande der Zerstörung beförderte Häufchen Elend vorn auf der Bühne noch lange unter den Lebenden weilen würde. Er vergaß Texte, die Stimme versagte, und auch seine Hände gehorchten dem Gitarristen nur noch bedingt. Es war kaum zu ertragen.

Am Neujahrstag 1997 kam schließlich die Todesmeldung. Townes Van Zandt, einer der größten Songwriter aller Zeiten, starb 52-jährig an einem Herzinfarkt.

"Ich denke nicht, dass all meine Lieder traurig sind, einige sind auch hoffnungslos." Das ist einer von vielen überlieferten Einzeilern, mit denen Townes Van Zandt sich und sein Werk treffend beschrieb. Pointiert, betrübt und mit einem Schuss Humor erträglich gemacht.

Diese Mischung machte den am 4. März 1944 in Fort Worth, Texas, geborenen Sänger zu einem der geheimen Großen des Songwritings. Geheim, weil Van Zandt mit seinem bluestriefenden und existenziell nah am eigenen Herzschlag formulierten Country mehr schlecht als recht über die Runden kam. Herzschlag, das bedeutet für Townes Van Zandt nicht nur Leben, sondern eben auch Schläge.

Die wenigen, die ihn und seine Arbeit kannten, brannten jedoch für ihn. Vom Nashville-Bad-Boy Steve Earle stammt die diesbezüglich knackigste Meldung: "Townes Van Zandt is the greatest songwriter on earth and I stand on Bob Dylans coffee table in my cowboyboots and say that", insistierte dieser einst. "I've met Bob Dylan and his bodyguards, and I don't think Steve could get anywhere near his coffee table", kommentierte Van Zandt augenzwinkernd dieses Kompliment.

Abhängigkeiten

Der Sohn einer wohlhabenden Familie aus dem Ölgeschäft sollte eigentlich eine militärische Laufbahn einschlagen. Nachdem er jedoch aus dem vierten Stock eines Internats gesprungen war – angeblich nur, um zu schauen, wie das so ist -, diagnostizierte man Symptome von Schizophrenie und Depressionen. Die darauf einsetzende Medikamentenbehandlung führte zu ersten Abhängigkeiten.

Seine Karriere begann in den 1960ern in Houston, wo er, nach einem abgebrochenen Jurastudium, in den lokalen Folk-Clubs auftrat und dort unter anderem sein großes Vorbild, Lightnin' Hopkins, kennen lernte. 1967 nahm der schlaksige Mann mit der warmen Stimme in Nashville, seiner zukünftigen Heimat, For The Sake Of The Song auf – das erste einer Reihe von Alben, die bei Erscheinen kaum je größere Aufmerksamkeit erregten, heute jedoch um teures Geld ihre Besitzer wechseln.

Trotzdem konnte er von seiner Musik bescheiden leben. Denn, auch wenn ihm selbst größerer Erfolg verwehrt blieb, gelangten andere Musiker mit Interpretationen seiner Songs in die Charts: Willie Nelson coverte die Outlaw-Ballade Pancho & Lefty, das herzkranke If I Needed You wurde ein Hit für Emmylou Harris, und auch der zweitbeste Songwriter der Welt, Bob Dylan, coverte Songs seines schüchternen und immer höflich wirkenden Kollegen. Zuletzt war es Norah Jones, die auf ihrem viele Millionen Mal verkauftem Album Feels Like Home den Song Be Here To Love Me coverte.

Van Zandt verstand es, Geschichten zu erzählen, die so ökonomisch waren wie die Pulp-Storys von Jim Thompson und dennoch in aller ihrer Kargheit eine zärtliche Poesie aufwiesen – und die er entweder solo oder mit kleiner Band einspielte. Der Rest bestand aus Variationen von Formalismen, die vom Gospelsong (Two Hands) über Country bis zur spröden Bluesballade (Heavenly Houseboat Blues) reichten.

In den späten 1980ern und den 1990ern entdeckten vermehrt Künstler der Postpunk-Generation das Werk von Van Zandt: Die britischen Trauerweiden Tindersticks interpretierten ihn ebenso wie die Grunger Mudhoney. Und Bands aus dem Einzugsgebiet des Alternative Country gilt er ohnehin als Gott.

Seine Alben sind allesamt auf CD wiederaufgelegt worden. Welches davon das Beste ist – schwer zu sagen. Mit dem Bandalbum High, Low And In Between aus 1972 ist man jedenfalls bestens versorgt, das 2002 erschienene Box-Set Texas Troubadour liefert auf vier CDs mit knapp 90 Songs einen umfassenden Einblick.

Unbedankter Gigant

Die 2005 erschienene und bei der Viennale gezeigte Dokumentation Be Here To Love Me von Margaret Brown beleuchtet anhand von Interviews mit Freunden und Zeitzeugen wie Kris Kristofferson, Willie Nelson oder Guy Clark das Leben und das berührende Werk dieses unbedankten Giganten.

Bei einem seiner letzten desaströsen Konzerte fragte ein besorgter Fan aus dem Publikum, ob er denn Hilfe brauche. "No, I guess its too late now", hat er geantwortet. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.12.2006/1.1.2007)