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Silvester in der Wiener Innenstadt: Musik auf den Straßen, der Himmel von Feuerwerkskörpern grell erleuchtet - so wie hier in der Silvesternacht 2000.

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Mehrere zehntausend Menschen fahren in die Bundeshauptstadt, um auf der größten Silvesterfeier Wiens den Jahreswechsel zu feiern. In der Innenstadt können sie Walzerkurse nehmen, sich mit Musik berieseln lassen oder ausgiebig aufs neue Jahr anstoßen.

Viele haben Freude daran. Ursula Stenzel hat keine. Die Pummerin wolle sie hören, nicht Böller, ätzte die Bezirksvorsteherin vor einem Jahr, nachdem sie das Amt bei den Bezirkswahlen gewonnen hatte. Geändert hat sich ihre Einstellung seitdem nicht. Ihrer Meinung nach passt der Silvesterpfad in der derzeitigen Form nicht zu Wien: "Muss man da unbedingt Tango und Sirtaki tanzen? Was diese großartige Stadt völlig einzigartig macht, ist doch unsere eigene musikalische Tradition."

Sie ortet Widerwillen bei den Anrainern wegen des Lärms, der bis in die frühen Morgenstunden anhält. Auch die Gastronomen seien nicht glücklich über das Geschäft, das ihnen durch die zahlreichen Buden entgehe. "Ich möchte einen Nachdenkprozess einleiten im Sinne der Ästhetik", sagt sie und fordert eine "Evaluierung" der Gestaltung. Evaluieren oder Abschaffen? "Abschaffen will ich ihn nicht", so Stenzel, "man muss sehen, was möglich ist in der Politik und was nicht. Und ein Spaßverderber bin ich ja auch nicht."

Auch Stenzels Amtsvorgänger Richard Schmitz, ebenfalls ÖVP-Mitglied, konnte dem Wiener Stadtsilvester nicht viel abgewinnen. Als "erfolgreichen Schritt in die falsche Richtung" kritisierte Schmitz die Feier und fürchtete, die Betrunkenen könnten allzu ausgelassen feiern. Dem Enthusiasmus des damaligen Bürgermeisters Helmut Zilk tat das keinen Abbruch. Wien brauche mehr als "geschlossene Gesellschaft". Gemeinsam mit dem Fremdenverkehrsverband organisierte die Stadtverwaltung zum Jahreswechsel von 1990 auf 1991 den ersten Stadtsilvester. Mehr als 100.000 Besucher erlebten die Premiere mit und feierten in der Walzer-Diskothek und bei einem Lambada-Fest mit Salsa und Reggae ins neue Jahr.

Die Anzahl der Besucher hat sich seither versechsfacht. Einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien zufolge ist die Veranstaltung ein gutes Geschäft für die Stadt. Die vorhandenen Hotelbetten in Wien sind fast vollständig mit Gästen belegt, die gern ihr Geld ausgeben: Mehr als 23 Millionen Euro geben die Gäste aus, belegt die Studie. Davon profitieren auch die Gastronomen. Zwar wird für den Betrieb eines Standes auf dem heurigen siebzehnten Silvesterpfad eine Gebühr bis zu 1320 Euro fällig. "Das lohnt sich trotzdem, die Betriebe reißen sich ja geradezu um einen Stand", heißt es aus der Wirtschaftskammer. Auch die einst befürchteten Probleme mit betrunkenen Besuchern haben sich nicht eingestellt. Im Gegenteil: "Die meisten Kollegen melden sich sogar freiwillig zum Dienst dort", schwärmt Wolfgang Steinbach, Einsatzleiter der Wiener Polizei auf dem Silvesterpfad. Entsprechend selbstbewusst geht auch der Veranstalter, die Stadt Wien Marketing, mit der Kritik am Wiener Silvesterpfad um. "Wir haben das Problem, dass der Silvesterpfad eine grenzgeniale Veranstaltung ist", kontert Projektleiter Michael Draxler, "wieso sollten wir etwas ändern?" Den Forderungen nach mehr klassischer Musik kommt der Veranstalter heuer nach, indem der Graben zum "größten Ballsaal der Welt" erklärt wurde und mit ruhigerer Musik bespielt wird. (Jens Lang, DER STANDARD - Printausgabe, 29. Dezember 2006)