Rolf Bürkl

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STANDARD: Am 1.Jänner steigt die Mehrwertsteuer in Deutschland von 16 auf 19 Prozent. Ist der Konsumrausch dann schlagartig vorbei?

Rolf Bürkl: Wir erwarten im ersten Quartal 2007 eine Schwächephase, in der die Konsumneigung deutlich abflacht. Es werden die wegen der Steuererhöhung auf 2006 vorgezogenen Käufe fehlen. Man darf ja nicht vergessen, dass auch noch andere drastische Belastungen wie die Kürzung der Pendlerpauschale oder höhere Rentenbeiträge auf die Konsumenten zukommen.

STANDARD: Die Konjunktur hat aber doch an Fahrt gewonnen.

Bürkl: Ja, und mittlerweile wirkt sich der Aufschwung auf den Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitslosigkeit geht zurück und es entstehen sozialversicherungspflichtige Jobs. Das ist für Sozialversicherungssysteme entscheidend. Aufgrund dieser Dynamik sind die Aussichten gestiegen, dass die anfängliche Schwächephase 2007 kürzer und weniger gravierend sein kann als vor einem halben Jahr gedacht.

STANDARD: Wann war die Konsumlaune der Deutschen zuletzt so groß wie jetzt?

Bürkl: Man muss unterscheiden: Das Konsumklima, in das auch Einkommensaussichten der Konsumenten hineinwirken, ist so gut wie seit fünf Jahren nicht mehr. Ein Teilindikator daraus, nämlich die Konsumneigung, hat Rekordwerte, wie wir sie noch nie gemessen haben. Die Frage dahinter lautet: Halten Sie es derzeit für ratsam, größere Anschaffungen zu tätigen? Da haben 2006 natürlich viele gesagt: Ja, weil 2007 die Steuern erhöht werden. Das hat sich beim Kauf von Möbeln und Haushaltsgeräten, aber auch bei Renovierungen ausgewirkt.

STANDARD: Nach echten Lustkäufen klingt das aber nicht.

Bürkl: Nein, die Motive für vorgezogene Käufe entsprangen viel stärker der Ratio.

STANDARD: Wann hat diese Besserung der Stimmung eigentlich begonnen?

Bürkl: Im Herbst 2005. Zunächst haben die Menschen sehr viele Erwartungen in die große Koalition gesetzt und gehofft, dass die Reformblockade aufgehoben wird. Als dann eine gewisse Ernüchterung einsetzte, hob die Fußball-WM die Stimmung wieder. Und jetzt macht die gute Konjunktur bessere Laune.

STANDARD: Einige Gewerkschaften haben wegen der guten wirtschaftlichen Lage für die Lohnrunde 2007 schon das Ende der Bescheidenheit ausgerufen. Beflügelt das die Aussichten der Konsumenten?

Bürkl: Nein, das hat sich auf die Einkommenserwartungen noch nicht niedergeschlagen. Außerdem wird es die Verbraucher auch wieder verunsichern, wenn wir im Winter wieder mehr als vier Millionen Arbeitslose haben. Derzeit können wir aber eine Veränderung im Konsumverhalten beobachten: Die Konsumenten greifen wieder stärker auf ihr Erspartes zurück, die Sparquote wird in diesem Jahr niedriger sein als 2005.

STANDARD: Wie lange wird es dauern, bis die Deutschen die höhere Mehrwertsteuer akzeptiert haben? Die Umstellung auf den Euro haben ja viele immer noch nicht verinnerlicht.

Bürkl: Ja, bei der Einführung des Euro haben viele das Gefühl gehabt, alles sei teurer geworden – obwohl die Preisstatistik des Bundesamtes das nicht belegte. Ähnliches kann uns natürlich wieder passieren, wobei ich glaube, dass die tatsächlichen Effekte nicht so groß sein werden. Viele Händler, etwa auch Discounter, haben die Preise schon im Verlauf des Jahres 2006 angehoben. Ich denke, dass wir im Verlauf des zweiten Quartals, was die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft, zur Normalität zurückkehren werden.

ZUR PERSON: Rolf Bürkl (45) ist Diplom-Volkswirt. Seit 1992 beschäftigt er sich bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit dem Konsumklima, das von der GfK monatlich ermittelt wird. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.12.2006)