Will Unternehmergewinne in Mitarbeiterbeteiligungen umwandeln - und sieht dafür eine Chance in der großen Koalition: Michael Spindelegger.

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Der Zweite Präsident des Nationalrats, Michael Spindelegger, glaubt, dass der Eurofighter-Vertrag hält. Christlich-soziale Ideen zur Mitarbeiterbeteiligung seien jetzt mehrheitsfähig, sagte er zu Conrad Seidl.

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STANDARD: Es sieht so aus, als ob wir jetzt nach mehr als drei Monaten eine Regierung bekämen - aber man scheut sich, "endlich" zu sagen. Ist in diesem Interregnum eigentlich irgendjemandem eine neue Regierung abgegangen?

Michael Spindelegger: Wir hatten ja nicht wirklich ein Interregnum, weil die bestehende Bundesregierung beauftragt war, die Geschäfte fortzuführen. Dass den Österreichern vielleicht gar nichts abgeht, ist wohl darauf zurückzuführen, dass es bisher einen guten Weg für Österreich gegeben hat und daher dem einzelnen Bürger eine neue Regierung nicht als das Allerwichtigste erscheint.

STANDARD: Und die ÖVP tut alles, um ihren Kurs auch in den Verhandlungen zu halten ...

Spindelegger: Wenn man Kompromisse eingeht, kann man das nur in Teilbereichen tun. Ich glaube aber, dass das Wesentliche erhalten bleibt: Nämlich Österreich nicht in einen neuen Schuldenweg zu führen. In Grundsatzfragen haben wir Linie gehalten. Das Kinderbetreuungsgeld wird weiterentwickelt, aber es bleibt fixer Bestandteil auch einer neuen Koalitionsregierung. Insgesamt kann man sagen, dass wesentliche ideologisch fundierte Positionen gehalten wurden.

STANDARD: Dies offenbar so stark, dass manche in der SPÖ ätzen: Wir bekommen eine Gusenbauer-Regierung mit ÖVP Kurs. Keine gute Stimmung zum Start der Koalition, oder?

Spindelegger: Ich kann die andere Seite nicht kommentieren und auch nicht interpretieren. Ich sage nur, dass durchaus eine ÖVP-Handschrift erkennbar ist. Das ist auch für unsere Partei wichtig.

STANDARD: Dabei sind wesentliche Punkte offen. In der äußeren Sicherheit gibt es ein gemeinsames Bekenntnis - aber der Eurofighter bleibt bis zum letzten Tag der Knackpunkt?

Spindelegger: Das was ich an positivem sehe: Beide Parteien stehen für eine militärische Luftraumüberwachung. Das war ja im Wahlkampf nicht immer so - und daher ist das ein bemerkenswerter Schritt nach vorne. Bei der Typenwahl, die Österreich nun einmal getroffen hat, wurde ja lange ein Ausstieg aus dem Eurofightervertrag diskutiert. Aber seit der Vertrag übergeben worden ist, höre ich davon nichts mehr. Ich denke, dass man gesehen hat, dass das eben ein Vertragsabschluss war, wie er allgemein üblich ist - und man langsam aber sicher die Probleme lösen wird.

STANDARD: Eines der Probleme mit dem Eurofighter ist, dass es viele andere Debatten überlagert. Das Sozialthema wurde wesentlich weniger offensiv diskutiert, obwohl es eigentlich viel mehr Menschen betrifft.

Spindelegger: Ganz genau. Die Österreicher bewegen ganz andere Fragen: Wie kann ich mein Einkommen sichern? Wie kann ich den Arbeitsplatz finden, den ich möchte? Das sind die wahren Probleme, die den Bürger bewegen.

STANDARD: Hier hat die SPÖ mehr Profil gezeigt. Die ÖVP hat sich ja nicht nur mit dem Eurofighter den Ruf der Sozialabbau-Partei eingefangen?

Spindelegger: Diese Polarisierung hält einer näheren Prüfung nicht stand. Was in der Sozialpolitik passiert ist, kann sich durchaus sehen lassen: Die "Abfertigung Neu" war ein Meilenstein, weil jeder Mitarbeiter monatlich einen Betrag bekommt, den er als Abfertigungsanspruch mitnehmen kann - egal wohin er geht. Das war eine sozialpolitische Großtat, die nur in dieser letzten Regierungskonstellation möglich war. Auch in der Familienhospizkarenz ist das soziale Profil sehr deutlich geworden - aber bei sehr schlagwortartigen Auseinandersetzungen geht das leider unter.

STANDARD: Es mag ja mit der Weihnachtszeit zu tun gehabt haben- aber in den letzten Wochen hatte man den Eindruck, dass sich zur Sozialpolitik eher Kirchenvertreter als christlich-soziale Politiker zu Wort gemeldet haben - beziehungsweise von den Medien gefragt wurden. Ist die ÖVP-Arbeitnehmerorganisation ÖAAB nicht mehr die erste Adresse?

Spindelegger: Ich glaube, dass wir in der Volkspartei über genügend christlich-soziale Politiker, die genau auf dieses Profil zugespitzt sind, verfügen. Ich kann aber auch nichts Negatives daran finden, wenn der Herr Kardinal den politischen Charakter seiner Position deutlich macht - oder der Bischof Küng die Familienpolitik anspricht. Die Kirche soll durchaus ihre grundsatzpolitischen Fragen artikulieren und auch in die politischen Debatten eingreifen. Das ist nicht immer angenehm für eine Regierungspartei. Aber ich halte es auch für notwendig, denn gerade für die christlich-soziale Politik ist das auch mit eine Richtschnur.

STANDARD: In den letzten Jahren hat die ÖVP die Sozialpolitik weit gehend dem Koalitionspartner überlassen. Strebt sie jetzt eine stärkere Rolle - etwa den Posten des Sozialministers - an?

Spindelegger: Das könnte ich mir durchaus vorstellen, aber ich will das gar nicht auf das Sozialministerium beschränken, weil nicht mit einem Minister als Aushängeschild alles andere abdecken kann. In Wahrheit geht es ja um die generelle Ausrichtung. Zum Beispiel die Mitarbeiterbeteiligung, zu der jetzt alle stehen. Auch solche, die im Wirtschaftsbund zuhause sind.

STANDARD: Die Mitarbeiterbeteiligung ist eine alte ÖAAB Forderung - was macht Sie sicher, dass das in der laufenden Periode kommt?

Spindelegger: Ich bin da sehr optimistisch: Es steht in den Verhandlungspositionen der ÖVP als Fixpunkt drinnen und ich glaube nicht, dass eine sozialdemokratische Partei sich dem verschließen wird. Denn wenn wir jetzt sehen, dass es ein Wirtschaftswachstum jenseits von drei Prozent gibt, heißt das ja, dass Unternehmen Gewinne machen. Das begrüße ich sehr. Aber das heißt, dass die Mitarbeiter auch etwas davon haben müssen.

STANDARD: Die Kehrseite ist, dass man da Mitarbeiter auch am Risiko beteiligt. Dieses nicht tragen zu müssen, ist eigentlich eine wesentliche Arbeitnehmereigenschaft?

Spindelegger: Natürlich gibt es ein Auf und Ab am Aktienmarkt und natürlich ist das in jedem Unternehmen so, dass nicht alles immer positiv läuft - aber gerade diese Fragen werden ja erst relevant, wenn man es über einen längeren Zeitraum betrachtet. Da gibt es ja sehr positive Beispiele, etwa an die VOEST-Privatisierung, wo Mitarbeiter heute ein Vielfaches des Wertes dieser Aktien auf ihrem Konto verbuchen können, oder die Post- Privatisierung. Das Risiko beurteile ich daher als eher gering und den Gewinn als eher hoch.

STANDARD: Sollen die Österreicher also ein Volk von Kapitalisten werden?

Spindelegger: Ein Volk von Aktionären. Das würde mich freuen. Denn jeder Mitarbeiter, der an seinem Unternehmen beteiligt ist, hat auch eine andere Beziehung zu seinen Unternehmen - und wird wahrscheinlich auch in einer viel stärkeren Art mit dazu beitragen, dass dieses Unternehmen auch gut dasteht und Gewinne macht. (DER STANDARD, Printausgabe 27.12.2006)