Das legendäre und viel zitierte Milgram-Experiment, bei dem Versuchspersonen andere Menschen scheinbar mit Stromstößen bestrafen und sogar töten sollten, wurde nun in der virtuellen Welt nachgestellt. Obwohl die Probanden diesmal wussten, dass es sich um eine Simulation handelt, waren die Ergebnisse ähnlich wie bei den ursprünglichen Versuchen. Diese waren im Jahr 1960 von Stanley Milgram an der Yale-Universität durchgeführt worden. Die physiologischen Auswertungen der in der Wissenschaftszeitschrift "PLoS ONE" veröffentlichten Experimente wurde von der oberösterreichischen Firma "g.tec medical engineering" übernommen.

"Die virtuelle Welt wurde in einem drei mal drei Meter großen Raum mittels mehrerer Projektoren dreidimensional erzeugt"

"Die virtuelle Welt wurde in einem drei mal drei Meter großen Raum mittels mehrerer Projektoren dreidimensional erzeugt", erklärte dazu Christoph Guger von "g.tec" gegenüber der APA. Die - menschlichen - Versuchspersonen wurden an ein Gerät angeschlossen, das Gehirn- und Herzaktivität aufzeichnete. Die Aufgabe der Probanden war es, einer virtuellen, weiblichen Personen bestimmte Aufgaben zu stellten und bei falschen Antworten Strafen in Form von Stromstößen zu verteilen.

Gruppe 1 der menschlichen Probanden hatte es als Gegenüber mit einer sehr lebensecht gestalteten virtuellen Person zu tun, die sie auch während der Tests und Bestrafungen ständig beobachten und auch Augenkontakt herstellen konnten. Für Gruppe 2 waren die virtuellen Versuchskaninchen dagegen unsichtbar, sie konnten mit ihnen nur schriftlich über den Computer kommunizieren.

In beiden Gruppen erhielten die Menschen während des Experiments die Anweisung, die Stromstärke für die Bestrafungen laufend zu erhöhen. "Auch die Bestrafung wurde sehr lebensecht ausgeführt, die virtuelle Person reagierte mit Schmerzensäußerungen und Protesten, bei hohen Stromstößen hörte man sogar eine Art Bruzzeln", so Guger. Am Ende war die Stromstärke so hoch, dass die virtuelle Person starb.

Obwohl beide Gruppen wussten, dass es sich um virtuelle Versuche handelte, regierten sie völlig unterschiedlich. Die Versuchspersonen der Gruppe 2 - nur Textkommunikation - verabreichten auf Anweisung des Versuchsleiters die elektrischen Schocks bis zur maximalen Spannung, keiner wollte das Experiment abbrechen. Bei Gruppe 1 - Sichtkontakt - erhöhten nur 17 der 23 Teilnehmer die Spannung bis zum tödlichen Niveau, die Hälfte der Gruppe hatte das Bedürfnis, die Studie abzubrechen.

Tatsächlich

"Unsere physiologischen Messungen haben gezeigt, dass die Versuchspersonen auch tatsächlich so reagierten, als ob das Experiment echt gewesen wäre", berichtete Guger. Unter anderem wurde die ansonsten eher variable Frequenz des Herzschlags sehr monoton, was auf starken Stress hinweist. Guger ist überzeugt, dass die Menschen in der virtuellen Welt bis zu einem gewissen Grad ganz ähnlich reagieren wie in Wirklichkeit. Das mache nun Experimente möglich, die etwa aus ethischen Gründen nicht durchgeführt werden konnten.

Bei den legendären Milgram-Versuchen waren die Versuchspersonen nicht eingeweiht. Sie glaubten damals tatsächlich, Menschen zu quälen und zu töten. Tatsächlich hatten die Wissenschafter Schauspieler eingesetzt, die bei den Stromstößen entsprechend reagierten. Milgram wollte mit seinen Versuchen herausfinden, wie weit Menschen unter Stress und auf Anweisung einer Autorität - in dem Fall eines Versuchsleiters - gehen würden.(APA)