Love 666: "American Revolution"
Monolithische Boshaftigkeit in ebensolche Riffs verwandeln und ihnen mit einer Basstrommel einen Arschtritt besorgen, dass selbst John Bonham schwindlig werden würde, ist das bescheidene aber wirkungsvolle Rezept von Love 666. Einer Band, die zu einer Zeit auf Amrep, dem Vorzeige-Label für schwer verdaulichen Wahnsinn veröffentlichte, als dieses schon eher nicht mehr so angesagt war und Aushängeschilder wie Helmet und sogar die Melvins sich gerade an Majorverträgen erfreuten. Zäh, stur und gemein wie ein Schuss in den Rücken ist diese teuflische Liebe – und in ihrer Wirkung immergrün: "Hard Rock America". Fuck yeah! Und jetzt auf Bierdosen schießen. (Amphetamine Reptile Rec.)

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Amphetamine Reptile

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Sonic Youth: "Goo"
Das Geschenk, das man sich selber macht. Unnötig zwar, weil man ohnehin mehr SY-Platten besitzt als ein Mensch in einem Leben braucht, aber halt leider schon schön gemacht ist die Vier-LP-Deluxe-Ober-Über-Drüber-Dingsbums-Kartonage mit dem vielleicht schönsten Plattencover der frühen 1990er. Das Album kann man immer noch auswendig mitsingen, neu hinzugekommen ist ein schönes Büchlein, in dem die Band erzählt, wie es sich damals angefühlt hat, als Underground-Stars zur Industrie zu wechseln. File under: Zeitdokument. Gleichzeitig ein Reminder, sich die Raymond-Pettibon-Ausstellung in der Kunsthalle unbedingt anzuschauen. Punk und Kunst – welcome to fucking Sonic Youth! PS: Finger weg von der aktuellen Raritäten-Kompilation "The Destroyed Room" – schwerstes Fadgas! (Universal)

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Sonic Youth

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Do it Again: "A Tribute To Pet Sounds" – Various Artists
Das Original kann mir ja gestohlen bleiben, die Stories rund herum sind leider interessanter als das Resultat, abgesehen von drei, vier hübschen Songs, vor denen man sich aber auch nicht gleich in die Hosen machen muss. Das Tribute an "Pet Sounds", das am öftesten heilig gesprochene Album der Beach Boys, ist jedenfalls eine Freude. Qualitätsgaranten wie Will Oldham lassen nicht nur nicht aus, sie überraschen mit teils ungewöhnlichen Sichtungen und Deutungen der Originale. Sich über diese Krücke wieder einmal motiviert am Original zu versuchen, hat trotzdem nichts gebracht. Wurscht. (Hoanzl)

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Hoanzl

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Silver Jews: "Tanglewood Numbers"
Im Zuge eines anhaltenden Pavement-Backflashs wurden zuletzt auch wieder die Außenbezirke dieses Universums besucht. Wobei Silver Jews, das Brainchild von David Berman, mehr als nur ein gelungener Ableger ist. „Tanglewood Numbers“, bei seinem Erscheinen 2005 kaum beachtet, bietet großartigen US-amerikanischen Indie-Rock. Jene Musik, wegen der man einst unbedingt Nashville, Seattle, Memphis, Fort Stockton, TX., New Orleans und all die weniger glamourösen Orte dazwischen besuchen musste. Eigenwillig bis zum gestreckten Mittelfinger ist dieses zwischen forschem Rock und countryesk gefärbtem Songwritertum angesiedelte Album ein kleines Meisterwerk. Fast zu schön, um es mit zu vielen Leuten zu teilen. Wenn Sie wissen, was ich meine. (Drag City/Trost)

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Silver Jews

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A Life, A Song, A Cigarette: "Fresh Kills Landfill"
Die heimische Band, die in den letzten zwei Jahren als omnipräsente Vorgruppe in Erscheinung trat – das zahlte sich hörbar aus! –, debütiert(?) keinen Moment zu früh. Zwar weist "Fresh Kills Landfill" diverse Unsicherheiten auf, bei einer prinzipiell vom Herzblut als von eitler Virtuosität gesteuerten Band, die sich mit den Bright-Eyes-Vergleichen wohl anfreunden und/oder zumindest abfinden wird müssen, setzt das jedoch zusätzlich Charme frei. Die Band mit dem existenzialistischen Namen ist also im erweiterten Americana-Einzugsgebiet tätig, schafft es aber authentisch und nicht wie platte Kopie des Lieblingssujets zu wirken. Meist im Midtempo angesiedelte, einnehmende Rocksongs mit Slide-Gitarre und oft zweistimmigen Buben-Mädchen-Gesang, bringen ein Stück Nebraskas nach Wien. Bei Erscheinen Ende Jänner dann mehr darüber. (Siluh/Hoanzl)

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A Life, A Song, A Cigarette

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The Magic Numbers: "Those The Brokes"
Das haarige, couchpotatoige, also tendenziell übergewichtige britisch-amerikanische kreuz und quer verwandte und verheiratete Quartett, das auf seinem titellosen Debüt 2005 ein paar der definitiven Popnummern seines Jahrgangs präsentierte, setzt zum zweiten Streich an. Und dieser ist genau so gut und hat dieselben Schwächen wie der erste. Man hört ein paar prächtige, mit Jahrhundertmelodien ausgestattete Popsongs mit Wurzeln in den Sixties, dazu ein paar unentschieden wirkende Stücke. In Summe war das vor eineinhalb Jahren auch egal, weil die andere Hälfte lässt einfach die Sonne aufgehen, und das, bitte schön, kann in der dunklen Jahreszeit gar nicht genug geschätzt werden. Danke, ihr Fleisch gewordenen Muppets! (EMI)

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The Magic Numbers

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Neil Young & Crazy Horse: "Live At The Fillmore East March 6&7 1970"
Neil Young macht endlich ernst und veröffentlicht seine geheimnisvollen Archive. Der vorliegende Livemittschnitt aus 1970 ist jedenfalls ein großer Beginn. Mit dem damals noch lebenden Danny Whitten an einer nachgerade funky gespielten Gitarre und einem ebensolchen Schlagzeuger, arbeitet sich ein damals noch dünn wie heute seine Haare seiender Young durch sein noch bescheidenes Solowerk plus einige CSN&Y-Songs. Der Klang ist großartig und die jugendliche Begeisterung der Involvierten in einer zumindest von heute aus betrachtet spannenden Zeit schwingt hier permanent mit. Wenn einen nicht die teilweise ordentlich langen Stücke – "Down By The River" (großartig!), "Cowgirl In The Sand" – stören, ist dieses Zeitdokument ein absolutes Muss. Mehr davon, Gevatter Young! (Warner)

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Neil Young

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Soul Brains: "A Bad Brains Reunion – Live At The Maritime Hall"
Als Punk noch keine Kinderjause zwischen zwei Ausflügen zu H&M war, inspirierte diese Band mehr Leute selber Bands zu gründen als Nirvana Platten verkauft haben. Na ja, fast halt. Die aus Washington D.C. stammenden Bad Brains sind hier bei einer Live-Reunion in all ihrer Kraft und Intensität zu erleben. Auch wenn der Sound nach altem Chelseakeller klingt, bekommt man eine Ahnung davon, was sich abgespielt hat, wenn H.R. und Co die Bühne betreten und ihre aberwitzige, auf den Punkt gespielte Berg- und Talfahrt zwischen Hardcore und Reggae begonnen haben. War jemand in der Arena damals? Der reine Wahnsinn! Wer den Bad-Brains-Meilenstein "I Against I" nicht im Plattenschrank hat, sorry, der braucht gar nicht erst das Wort Plattensammlung verwenden. (Hoanzl)

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Bad Brains

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Karen Dalton: "In My Own Time"
Ein „burried treasure“ wird gehoben: Das Debüt von Karen Dalton aus dem Jahr 1971. Dalton, eine 1993 obdachlos und von der Welt vergessen in New York gestorbene Sängerin, gilt heute als eine der Säulenheiligen der neuen Folk-Bewegung, bekniet von Devendra Banhart bis Joanna Newsom. Nick Cave verehrt sie ebenso wie ihre früheren Wegbegleiter Bob Dylan und Fred Neil (R.I.P.). "In My Own Time" ist an die Schnittstelle von Southern Soul und Folk hinproduziert, wo Dalton als ebenso heroinsüchtige bleiche Version wie die ihr stimmlich verwandte Billie Holiday in jedem gottverdammten Song um ihr Leben singt: Gänsehaut! Musik aus der Ewigkeit, Musik für die Ewigkeit. (Hoanzl)

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Karen Dalton

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Arcade Fire: "Funeral"
Nicht ohne Stolz darf man sagen, dass der Standard im November 2004 als erste deutschsprachige Zeitung von einem Wunder namens "Funeral" berichtet hat, das von einer seltsam Arcade Fire benannten Band aus Kanada stammte und einen schlicht und ergreifend vom Sessel blies. Bevor nun im März das zweite Album "Neon Bible" (nach John Kennedy Tools Debütroman benannt?) der in der Zwischenzeit Weltkarriere gemacht habenden Band erscheint, wird wieder "Funeral" gehört. Was soll man sagen? Das Wunder hält an. Wie Reg und Win Butler sowie der gute Rest dieser vielköpfigen Formation hier in jedem einzelnen Song zum Himmel und wieder zurück fahren, ist immer noch beängstigend, verwirrend und begeisternd zu gleich: Wie machen die das bloß? Wo kommt diese Energie her? Warum wird das immer noch besser? Ein Traum. (Merge)

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Arcade Fire

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