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Schülerinnen einer Religionsklasse in der Moschee in Telfs, Tirol. Der von einem türkisch-islamischen Verein geplante Bau eines Gebetsturms bei der dortigen Moschee hatte im November 2005 für Aufregung gesorgt. Empörte Anrainer hatten über 2000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt, woraufhin der Verein die ursprüngliche Höhe des Turmes von 20 Metern auf 15 Meter reduzieren ließ. Die Nachbarn gaben sich damit zufrieden und zogen sämtliche Einsprüche zurück.

AP Photo/Kerstin Joensson

Wien - Das Phänomen der Diskriminierung von Muslimen sowie der Islamophobie in Europa sei "nach wie vor unzureichend dokumentiert und gemeldet". Dies erklärte Beate Winkler, Chefin der Europäischen Beobachtungsstelle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), bei der Präsentation des aktuellen Berichts über die Lage von Muslimen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Angehörige des muslimischen Glaubens haben in Europa regelmäßig mit Diskriminierungen zu kämpfen, sie sind durchschnittlich öfter arbeitslos, weniger gut ausgebildet und wohnen in schlechteren Verhältnissen als die Mehrheit der Bevölkerung. Die Gründe könnten teilweise in islamfeindlichen Einstellungen liegen, beruhten aber auch auf allgemein rassistischen und fremdenfeindlichen Ressentiments, heißt es in dem Report, der am Montag in Wien vorgestellt wurde.

 

Der Bericht stützt sich auf Daten von Behörden, Forschungsinstituten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), überwiegend aus den "alten" EU-Staaten. Die Angaben sind meist nach verschiedenen Kriterien und unterschiedlich genau erhoben worden, weshalb sie nicht direkt vergleichbar sind. Insgesamt gibt es in der EU laut EUMC-Schätzung rund 13 Millionen Anhänger des islamischen Glaubens (3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung), womit sie die zweitgrößte Religionsgruppe darstellen.

Deutlich höhere Arbeitslosenrate

Die Arbeitslosenrate von Muslimen liegt laut Bericht in den meisten EU-Staaten deutlich über jener der Mehrheitsbevölkerung. In Großbritannien, wo in den Statistiken explizit nach Ethnie und Religion unterschieden wird, hatten Muslime im Jahr 2004 die höchste Arbeitslosenrate aller Bevölkerungsgruppen, sowohl bei Männern (13 Prozent), bei Frauen (18 Prozent) sowie bei jungen Erwachsenen zwischen 16 und 24 Jahre. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Irland, allgemeiner auf Einwanderer bezogen auch in Staaten wie Deutschland, Frankreich und den Niederlanden.

Eine Arbeit zu finden, ist für Muslime dem Bericht zufolge häufig schwieriger, da sie bei Bewerbungen seltener berücksichtigt werden, wie Untersuchungen in Großbritannien und Frankreich zeigen. Aus Umfragen und einem zweiten, ergänzenden EUMC-Bericht zur Wahrnehmung von Diskriminierung geht demnach auch hervor, dass sie sich am Arbeitsplatz häufig diskriminiert fühlen, beispielsweise bei Gehältern und Verträgen oder durch die Nicht-Abgeltung von Überstunden.

Kürzere und schlechtere Ausbildung

In EU-Staaten mit einem hohen Anteil muslimischer Bevölkerung verlassen Kinder aus Einwandererfamilien die Schule tendenziell früher und sind weniger gut ausgebildet als ihre einheimischen Altersgenossen. Eine angeführte aktuelle Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bescheinigt Einwandererkindern im Gegensatz dazu allgemein eine hohe Lernbereitschaft. Ihre Leistungen seien dagegen durchschnittlich schlechter als die ihrer Klassenkameraden.

Detailliert schildert der Bericht "potenziell islamfeindliche Vorfälle" in 14 EU-Ländern - Beschimpfungen, Drohungen, Prügel, Mord. Gerade hier erweise sich die Datenerfassung aber als "unzureichend in der Mehrheit der Mitgliedstaaten", kritisiert die EUMC. Lediglich Großbritannien weist demnach in Kriminalstatistiken Muslime gesondert als Opfer von durch Hass motivierte Straftaten aus.

Österreich: Leistungsunterschiede am ausgeprägtesten

Bezogen auf Österreich heißt es in dem Bericht, dass Kinder aus Einwandererfamilien in der Regel ein niedrigeres Bildungsniveau als ihre einheimischen Altersgenossen erreichen. Österreich zähle zu jenen Ländern, in denen die Leistungsunterschiede zwischen Einwandererkindern und einheimischen Schülern am ausgeprägtesten seien, zitiert die EUMC eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Untersucht wurden die Lernerfolge im Bereich Mathematik. Laut dem österreichischen Bildungsministerium kamen Migrantenkinder überdurchschnittlich oft nur auf ein niedrigeres Bildungsniveau. 80 Prozent der türkischen Bevölkerung in Österreich habe lediglich die Pflichtschule absolviert, schreibt die EUMC in Berufung auf das "Statistische Taschenbuch 2005".

"Umfangreiche islamophobe Diskriminierung" habe es in Österreich auf dem privaten Wohnungsmarkt vor allem gegenüber tschetschenischen Flüchtlingen gegeben, heißt es in Berufung auf die Initiative "Wohndrehscheibe". 2004 eingeführte neue Kriterien für Sozialwohnungen hätten in Österreich zudem "ernsthafte Schwierigkeiten" für eingebürgerte Einwanderer geschaffen, die ihre Familien haben nachziehen lassen: Familien müssten nun nachweisen, zwei aufeinander folgende Jahre gemeinsam in derselben Wohnung gewohnt zu haben, bis sie sich für eine Sozialwohnung bewerben könnten - "und sind daher gezwungen, über einen langen Zeitraum in einer überfüllten, privat gemieteten Unterkunft zu warten".

Ablehnung gestioegen

Zwischen 1994 und 2002 sei die Ablehnung von Muslimen als Nachbarn von 19 auf 25 Prozent gestiegen, zitiert der Bericht drei aufeinander folgende Studien. Zwei Drittel der Österreicher stimmten im Dezember 2004 in einer GfK-Umfrage der Behauptung zu, in Europa lebende Muslime würden heute mit Argwohn betrachtet - eine Ansicht, die durchschnittlich 50 Prozent der Westeuropäer teilen. Im Eurobarometer 2005 zeigten sich die Österreicher am skeptischsten gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei.

Offizielle Zahlen über potenziell islamfeindliche Vorfälle nennt der Bericht nicht, zitiert aber sechs Beispiele aus den Rassismus-Berichten der Nichtregierungsorganisation Zara aus den Jahren 2004 und 2005. So sei beispielsweise ein Jordanier bei der Arbeit regelmäßig als "Kameltreiber" beschimpft und schließlich verprügelt worden, was im Jänner 2005 auch die Gleichbehandlungskommission beschäftigte. Drei der Vorfälle schildern Übergriffe auf Frauen, die ein Kopftuch trugen.

Initiative

Erwähnt wird die Initiative der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft gegen traditionelle Praktiken wie Zwangsheiraten, weibliche Genitalverstümmelung und "Verbrechen aus Gründen der Ehre". Im Kapitel über Zugeständnisse am Arbeitsplatz werden die Richtlinien des Bundesheeres für Angehörige religiöser Minderheiten aufgeführt, die beispielsweise regeln, zu welcher Zeit und wo gebetet werden darf.

Als positiv werden Informationsseminare der islamischen Glaubensgemeinschaft für Polizisten hervorgehoben, die 2004 stattfanden und laut Innenministerium weitergeführt werden sollen. Ebenso wird auf die Entwicklung von Integrationsrichtlinien der niederösterreichischen Städte Krems, Guntramsdorf und Traismauer und dem vorarlbergerischen Dornbirn hingewiesen, wobei Muslime in den ersten drei Städten spezielle Beachtung finden. Als beispielhafte private Initiativen nennt der Bericht für Österreich etwa eine interreligiöse Gedenkstunde für die Tsunami-Opfer im Januar 2005 und die Veranstaltung "Literatur im März" in Wien, die sich im Jahr 2004 "Der Islam und der Westen" zum Thema machte.

Forderung: Kampf gegen Diskriminierung zur Priorität machen

Auf Grundlage des Berichts fordert die EUMC, den Kampf gegen die Diskriminierung von Muslimen zur politischen Priorität zu machen. Die Antirassismus-Richtlinie und die Gleichbehandlungs-Richtlinie müssten umgesetzt und Mechanismen geschaffen werden, um rassistische Vorfälle zu registrieren und nach Opfergruppen aufschlüsseln zu können. Einwanderer und Angehörige von Minderheiten müssten stärker gefördert und dazu ermutigt werden, sich aktiver am öffentlichen Leben zu beteiligen, heißt es.

Zu als beispielhaft angeführten Initiativen gehören interreligiöse Dialogforen in Deutschland und Großbritannien, ein Kurs über Religion und Ethik in luxemburgischen Schulen und die Förderung einer Plattform islamischer Organisationen in Rotterdam. (APA/red)