Rund 33 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Was ein Mensch zum überleben braucht und was Asyl bedeutet, lernen Kinder nun von Ärzte ohne Grenzen: Bis 25. Februar steht das Zoom Kindermuseum ganz im Zeichen der Flüchtlingshilfe.

Foto: ZOOM Kindermuseum / Alexandra Eizinger
Koffer auf dem Boden, Baumstämme zum Sitzen, dahinter ein Grenzhaus mit Schranken. 33 Millionen Flüchtlinge gibt es weltweit, für zwei Stunden waren es 60 Menschen mehr. Denn in dieser Zeit konnten Kinder hautnah miterleben, wie es ist, auf der Flucht zu sein.

"Das sind Leute, die meistens aus Afrika kommen und nicht einfach wegfliegen können" - die jungen Besucher hatten schon recht klare Vorstellungen von der Thematik des nicht freiwillig gewählten und gefährlichen Lebens. Das Zoom Kindermuseum war nun an der Reihe, ihr Bild zu konkretisieren.

Der Schranken öffnet sich, und die Kinderschar, die zur Eröffnung der Ausstellung nach Wien gekommen ist, wirbelt in das authentisch nachgestellte Flüchtlingslager. Ab jetzt ist jeder ein Flüchtling.

Man kann sich gut vorstellen, wie die Sonne den warmen Wüstensand weiter erhitzt. Ein Kind schleppt sich mit letzter Kraft den Konturen eines Flüchtlingslagers entgegen. Der Schmerz über den Verlust der Eltern sitzt tief, aber mit jedem Schritt, der das Flüchtlingslager näher rücken lässt, steigt auch der Überlebenswille des Kindes.

Trinkwasser

Sein erster Blick fällt auf die Wasseraufbereitungsstation und die Plastikbehälter mit Trinkwasser. Der Durst ist überwältigend. Einer der 20-Liter-Kanister wäre jetzt wohl nicht genug. Kaum ist sein lange nicht mehr erfülltes Bedürfnis befriedigt, entdeckt es die gegenüberliegende Nahrungsausgabestation.

Für eine Tagesration Hülsenfrüchte, die erst verarbeitet werden müssen, ist der Hunger zu groß. Das Kind bekommt, wie jeder geschwächte Erstankömmling, NRG-5. Der Hunger wird durch die Stärke- und Vitaminriegel gestillt, der Geschmack von gezuckerten Semmelbröseln bleibt. Ein halbes Kilo NRG-5 reicht pro Tag für zwei Erwachsene. Etwa tausend Kalorien sind eine Tagesration und kosten Ärzte ohne Grenzen 64 Cent.

Eine potenzielle Gefahr steht bevor: Das Kind könnte sich an einer Seuche anstecken, denn Flüchtlingslager sind dafür ein idealer Nährboden. Über ein Megafon hört es plötzlich die Aufforderung, sich in die Impfstation zu begeben. Ein Fall von Masern beschert den Medizinern eine stressige Stunde. Acht Ärzte können in 60 Minuten 600 Personen impfen. Von den bisherigen Strapazen erschöpft, schleppt sich das Kind zum Zelt, wo es geimpft wird. Es beobachtet, wie kurz darauf die Nadeln der Spritzen einbetoniert werden und der Plastikteil verbrannt wird.

Zelte und Kleidung

Mittlerweile ist es Abend geworden und die Ärzte stellen Kleidung zur Verfügung. Die Temperatur fällt nachts unter null Grad, worauf bei der Zeltplanung geachtet werden muss. Hier kommen die Logistiker unter den Ärzten ohne Grenzen zum Einsatz. "Wir sind dafür verantwortlich, dass Wasser fließt und Zelte stehen", erklärt Matteo Putzolu dem Kind. Beides hat Putzolu gut erledigt, denn die Zelte sehen stabil aus.

Gerne hätte das Kind das große Zelt für sich allein, doch es muss mit 14 weiteren Flüchtlingen geteilt werden. Die Luft ist stickig und die mangelnde Körperhygiene trägt ihren Teil dazu bei.

Seit heute kann das Kind in eine sichere Zukunft blicken und schläft ein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.12.2006)