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Die Studie "Spielplatz Deutschland" hat in einer repräsentativen Umfrage verschiedene Spieler-Typen und deren Lebenswelten erforscht. Die Leiterin der Studie, Sabine Trepte von der Hamburg Media School, über Videospiele als Volkssport, digitale Ureinwohner und unterschiedliches Videospiel-Verhalten zwischen Buben und Mädchen.

derStandard: Frau Trepte, welches Verhältnis haben Sie eigentlich persönlich zu Ihrem Forschungsgegenstand? Spielen Sie selbst zwischen den Vorlesungen ab und zu eine Runde?

Sabine Trepte: Nein. Ich bin zwar vom Alter her Teil der Videospiel-Generation, habe aber eher eine intellektuelle Distanz zu diesem Medium. Ich finde es einfach ein wahnsinnig spannendes medienpsychologisches Phänomen.

derStandard: Kann man Videospiele erforschen, ohne sich damit auszukennen?

Sabine Trepte: Viele meiner Kollegen sind passionierte Videospieler. Wir haben aber jetzt eine so genannte Spielstunde eingerichtet. Da setze ich mich dann 30 Minuten mit den neuesten Spielen auseinander. Sie haben Recht, man muss ein Gefühl dafür bekommen, wie es sich anfühlt, ein Raumschiff zu steuern oder ein Abenteuer in Mittelerde zu durchleben.

derStandard: In Ihrer Studie haben Sie den "Spielplatz Deutschland" untersucht: Wen haben Sie erwartet auf diesem digitalen Rummelplatz?

Sabine Trepte: Wir hatten zu Beginn ein recht klischeebeladenes und zielgruppenspezifisches Bild im Kopf: ein paar Teenager mit Kopfhörern und weiten Hosen, die die neuesten Spiele testen. Ich war sehr überrascht, dass Videospielen mittlerweile ein veritabler Volkssport ist. Mehr als 30 Prozent (Deutschland, Anm.) spielen zumindest gelegentlich mit einem CPU - das sind Dimensionen, die sonst höchstens der Fußball erreicht.

derStandard: Welcher Typ bin denn ich, wenn ich ab und zu nach der Arbeit ein paar Stunden Fifa Soccer mit den Mitbewohnern spiele?

Sabine Trepte: Wahrscheinlich sind Sie ein Freizeitspieler. Die stellen mit 54 Prozent die größte und mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren auch älteste Gruppe aller Videospieler. Der Freizeitspieler ist überwiegend berufstätig und spielt nur gelegentlich - zum Entspannen oder zum Zeitvertreib, wenn es der Job, die Familie oder andere Hobbys gerade zulassen.

derStandard: Das klingt eher nach meinem Vater und seiner Solitär-Sucht. Ich hatte schon in der Schule meine erste Konsole.

Sabine Trepte: Vielleicht sind Sie ein Gewohnheitsspieler, etwa um die 30 Jahre alt und - seit Sie als Kind mit C64 und Atari 2600 gespielt haben - den Games auch treu geblieben. In der Lebenswelt der Gewohnheitsspieler haben Videospiele ihren festen Platz: zum Beispiel beim Spielabend mit Freunden. Beliebte Genres sind Action- und Strategie-Spiele. Ansonsten gibt es noch kleinere Gruppen wie etwa die Denk- oder Fantasiespieler. Die definieren sich vor allem durch die Vorliebe für ein bestimmtes Genre wie Sudoku oder World of Warcraft.

derStandard: Wie haben Sie die Einteilung in verschiedene Typen denn vorgenommen?

Sabine Trepte: Der wichtigste Wert war der Medienkonsum. Aber rein quantitativ kann man den Zugang, den ein Mensch zum Videospielen hat, nicht beschreiben. Die Eyetoy-Fans und die Halflife-Community haben nicht besonders viel gemeinsam. Wir haben unsere Probanden also auch gefragt: Welche Spiele spielen Sie besonders gerne? Und dann wollten wir noch wissen, ob sie Gaming für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung halten und positiv gegenüber neuen Technologien eingestellt sind.

derStandard: Wo sind denn die spielsüchtigen, ausgemergelten Bildschirm-Junkies, vor denen die Elternbeiräte so viel Angst haben?

Sabine Trepte: Es gibt natürlich auch den Typus des Intensivspielers, die mit Abstand jüngste Gruppe, die wir isolieren konnten. 79 Prozent sind unter 30 Jahre alt. Der Intensivspieler spielt mehrere Stunden pro Tag, liest am wenigsten und hat die höchste Bildschirm-Verweildauer. Auch wenn Videospielen ein Volkssport ist, heißt das nicht, dass die Art und Weise, wie manche Leute diesen Sport betreiben, unbedingt gesund ist. Ich weiß auch nicht, ob es gesund ist, acht Stunden am Tag Shakespeare zu lesen oder Fußball zu spielen. Tatsache ist aber, dass manche Spiele asoziale Wertemuster aufweisen und gewalttätiges Verhalten belohnen. Wichtig ist dann vor allem, dass hier ein Monitoring des jugendlichen Medienkonsums stattfindet. Das Wichtigste ist: Die Erwachsenen müssen da sein.

derStandard: Es gibt die sehr interessante Differenzierung zwischen "digital natives" und "digital immigrants". Während Erstere im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind und es als natürlich empfinden, sind die älteren Menschen nur Einwanderer, die sich zwar funktionale Dinge wie E-Mail aneignen, aber sich grundsätzlich fremd fühlen.

Sabine Trepte: Nun, die Leute, die 1977 im Teenageralter waren, sind heute in den 40ern. Es sind bereits mehrere Generationen mit dem Computer aufgewachsen. Das hat große Vorteile: Ein junger Vater kann seinen Kindern diese Welt zeigen. Viele moderne Spiele sind sehr komplex. Aber die Industrie arbeitet daran, mit einfachen Eingabegeräten wie etwa dem "Eyetoy" auch den digitalen Immigranten den Zugang zu Computern zu ermöglichen. Aber bei der rasanten Entwicklung können gar nicht alle mithalten. Ich gebe zu, bei neuen Rennspielen bekommen ich so etwas wie Cyber-Sickness. Da macht mein Wahrnehmungsapparat nicht mehr mit.

derStandard: Die Industrie spricht ja auch immer davon, dass man nun neue Zielgruppen wie "Silver Gamer" oder "Game Girls" erobern wolle. Ist das nur Marketing-Geschwafel, oder brauchen diese Gruppen tatsächlich andere Hardware? Vielleicht haben Sie ja einfach keine Lust.

Sabine Trepte : Gerade für Mädchen ist die Schwelle noch sehr hoch. Ein Grund dafür ist, dass sie nicht ermutigt werden, sich von Kindesbeinen an mit Hardware zu beschäftigen. 50 Prozent der Burschen im Teenageralter haben eine eigene Konsole. Bei den Mädchen sind es nur 20 Prozent. Aber Spiele wie Die Sims oder Barbie Fashion Star haben hohe weibliche Nutzerraten. Es ist sicher auch kein Fehler, das Produktdesign anzupassen. Also: die Konsole rosa anzumalen. Aber genug ist das nicht. Auch die Inhalte müssen die Mädchen ansprechen. Eine Farbe ist nicht genug. (Tobias Moorstedt, RONDO vom 15.12.06)