Flüge im Airbus A320-Full-Flight-Simulator kosten 275 Euro
Protora

Foto: Der Standard

Die weiße Metallkiste in Gebäude 974 der Austrian-Airline-Basis auf dem Vienna Airport kostet so viel wie 36 Ferraris und bewegt sich dennoch nicht einen Zehntelmillimeter vom Fleck. Das skihüttengroße Simulatorhäuschen steht auf sechs hageren Hydraulikbeinchen. Im Zickzack aufgestellt, können sie den Kasten in jede nur erdenkliche Richtung neigen, rütteln oder stoßen. Die Piloten, die hier ihre Flugberechtigungen auffrischen, schwitzen in der Kiste Blut und Wasser. Wer in der Trainingsschachtel durchfällt, darf unter Umständen nie wieder ein Verkehrsflugzeug pilotieren.

Über eine schmale Zugbrücke lässt sich der Flugsimulator entern. Es ist dunkel und auf eine erotisierend technische Art behaglich. Bis auf die Fenster und die schwarzen Lederflächen der Sitze gibt es hier keine Handbreit, die nicht von Schaltern, Reglern und leuchtenden Kleinbildschirmen eingenommen wird. Wir sind zu fünft an Bord. Fünf aviatische Dilettanten und Robert Oberleuthner, unser Instruktor, ein wirklicher Pilot.

Der Airbus A320, in dem wir uns befinden, ist virtuell. Und auch wieder nicht, denn jeder Schalter hier lässt sich bedienen. Sogar die Abnützungsspuren an den Hebeln sind real. Das tiefe Grollen der Triebwerke, das monotone Rauschen der Klimaanlage kommen vom Computer. Die Bewegungen, die uns die nächste Stunde durch Sonne und Mond schicken werden, von den Bewegungen der Simulatorkabine auf ihren Hydraulikstelzen. Die Aussicht aus den Cockpit-Fenstern geht auf eine parabolisch gekrümmte Leinwand, auf die drei Projektoren eine Außenwelt projizieren. Unser Blick geht auf den Schwechater Flughafen mit seinem verdrehten Turm, die beiden Terminalschnecken und vor uns auf kilometerweit Beton, Lichter und verbranntes Flughafengras.

Eurofighter von rechts

Es gibt vier Sitzplätze in diesem Apparat, zwei Pilotenstühle, einen Klappsessel an der Cockpitrückwand und zwei Besucherstühle etwas weiter hinten im Raum. Hier sitzen die Prüfer – neben dem einzigen cockpitfremden Instrument. Auf dem berührungssensitiven Bildschirm werden die Katastrophen eingestellt: Triebwerksausfall, Brand in der Kabine, verschneite Landebahn auf den Malediven, Aquaplaning in Kairo, verlorenes Bug-Rad über dem Atlantik, Leck im Tank, Eurofighter von rechts, durchgeschmorte Elektrik.

Für uns fünf Dünnluftmatrosen werden in wenigen Minuten schon die simpelsten Flugmanöver nach SOS schmecken. Zwei von uns bekennen Playsta-tion-Flugerfahrung und schwingen sich behände in die beiden Pilotensitze. Kurzes, schnappatmiges Memorieren des Startvorganges. Klar, dass das hier ein Schönwetterstart werden wird. Gesteuert wird dieser Airbus mit Händen und Füßen, im Wesentlichen aber mit einem stinknormalen Joystick aus Billigsdorfer-Plastik. Nun ja. Mit so etwas hat die junge Generation der Piloten ihre Kindheit verbracht. Der Grund für den Kunststoffknüppel: Modernes Fluggerät sendet die Steuersignale nicht mehr per Seilzug, sondern elektronisch an die Ruder.

Das Simulator-Vorleben unserer Buben von der Playstation-Fraktion macht sich bezahlt, die beiden bedienen brav und in der richtigen Reihenfolge ihre Hebel, enormer Schub drückt uns in die Sitze, die Landebahn verjüngt sich auf einen dünnen, unter uns galoppierenden Pfad, und nach langen, holprigen Augenblicken zieht uns der Mann vom Frauenmagazin hochnäsig in die Schwechater Luft. Ein Traumstart. Kein Seitenwind, kein Wölkchen über der Stadt. Wir kurven elegant über Wien und gewinnen an Höhe. Im richtigen Leben würde man jetzt den Autopiloten beauftragen, die Gurte lösen und einen Kaffee bestellen.

Nichts für Landungsklatscher

Wie von Götterhand gestoppt, schwebt das Flugzeug schwerelos im Himmel über Schnitzelstadt. Die Götterhand gehört Robert Oberleuthner, der das Simulatorprogramm auf Sinkflug einstellt, um eine Landung vorzubereiten. Flappen raus, Schub zurück, Nase leicht hinunter, Räderbeine raus, den Seitenwind mit Kurven austarierend, senken wir uns dem winzigen Strich entgegen, der einmal zu unserer Landebahn werden wird.

57 Tonnen sind verdammt träge, das ist kein wendiger Audi, der einmal kurz über die A2 gejagt wird. Der Mann vom Frauenmagazin ist nicht nur Damenversteher, er hat auch ein Händchen für landendes Alu. Er bringt den Vogel tatsächlich runter. Landungsklatscher hätten schon längst in die Hose gemacht, so holpert unser Shakehand mit der Piste. Aber wir leben, das Ding ist ganz geblieben.

Leuten mit Flugangst, also Leuten wie mir, muss ein Flug im Simulator dringend empfohlen werden. Kein Luftloch, in dem ich noch nicht gestorben wäre, kein ruckelnder Start, an dem noch nicht mein Lebensfilm abgelaufen wäre. Wie sich wirkliche Abstürze anfühlen, erfahren wir unter dem nächsten Freizeit-Käpten. Aus 5000 Fuß die Kurve nicht mehr zu kriegen und in die endgültige Tiefe zu rattern ist kein schönes Gefühl. Immerhin: Es geht ganz schnell.

Erst der zweite Mann mit Playstation-Erfahrung bringt uns heil nach Hause, über das gebrochene Bug-Rad wollen wir hinwegsehen. Auch die Pilotenkollegin setzt uns unbeschädigt ab, verwechselt aber links mit rechts und pilotiert den gelandeten Airbus in die Wiese – auch ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte.

Selbst am Steuer, steigt meine Ehrfurcht vor professionellen Aviatikern. Eine große Fuge an der großen, achtmanualigen Kirchenorgel könnte nicht komplexer sein. Auch mich hat die Erde bald wieder. Oder auch nicht. Links und rechts scheinen bei mir zwei unterschiedliche Orte zu sein, nicht jedoch oben und unten. Meine Landung wird nicht in die Geschichte des Landungsapplauses eingehen. Pilotin ist an mir keine verloren gegangen. Aber Flugangst habe ich zumindest keine mehr. (Maria Dusl/Der Standard/Rondo/15/12/2006)