Jürgen Michlmayr: "Ich glaube es liegt in der Natur der Sache, dass man sich als Jugendorganisation nie ganz durchsetzt."

Foto: Christina Häusler
Jürgen Michlmayr ist neuer Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend. Im Interview spricht er über die Gründe für sein Engagement trotz Bawag-Affäre, die junge und freche Gewerkschaftsjugend und über die Zukunft des ÖGB. Die Fragen stellte Anita Zielina.

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derStandard.at: Du bist ja schon einige Jahre als Jugendvertrauensrat aktiv. Als der Bawag-Skandal publik wurde - hast Du da mal kurz überlegt, warum Du diese Arbeit auf dich nimmst?

Michlmayr: Ganz ehrlich: Am Anfang, als das Ganze herausgekommen ist, da trifft einen momentan schon der Schlag und man braucht eine gewisse Zeit, bis man das Ganze realisiert hat. Für mich hat sich aber nie die Frage gestellt, ob ich deswegen mein Engagement aufgeben soll, wegen solchen Geschichten. Für mich war es immer wichtig, für die Mitglieder da zu sein, ob bei mir in der Firma für die Lehrlinge oder jetzt eben als Vorsitzender für Alle.

derStandard.at: Ist die Jugend im ÖGB stark genug vertreten?

Michlmayr: Wenn man sich den Reformprozess anschaut und die Fortschritte in den Teilprojektgruppen betrachtet, kann man das nur bejahen: Wir haben in den Gruppen unsere Meinung klar gesagt, haben diskutiert und eine starke Jugend vertreten. Und unsere Forderungen sind auch erfüllt worden. Die Jugend wird in Zukunft im ÖGB noch mehr mitzureden haben.

derStandard.at: Was waren die wichtigsten Forderungen, die Ihr umgesetzt habt?

Michlmayr: Einerseits haben wir für unsere Leute erreicht, dass wir ein gewisses finanzielles und personelles Grundpotenzial für unsere Jugendvertrauensräte und unsere Gewerkschaftsfunktionäre haben. Und andererseits, dass wir als Vertreter der Jugend auch in Zukunft im höchsten Gremium, im ÖGB-Präsidium, einen Platz haben werden und von dort aus Jugendliche vertreten.

derStandard.at: Gibt es Bereiche in denen ihr euch mehr Entgegenkommen erwartet hättet? Wo habt ihr euch nicht durchsetzen können?

Michlmayr: Naja, ich glaube es liegt in der Natur der Sache, dass man sich als Jugendorganisation nie ganz durchsetzt. Ich glaube es wäre der falsche Weg, dass man als junger Mensch sagt: "OK, jetzt haben wir alles erreicht, jetzt ist es genug." Man muss auch in die Zukunft schauen und weitere Forderungen haben, gewisse Perspektiven haben. Was uns am wichtigsten war, haben wir erreicht – es wird auch in Zukunft eine junge, freche Organisation im ÖGB geben.

derStandard.at: Aus welchem Grund wenden sich junge Leute hauptsächlich an Euch?

Michlmayr: Die meisten Fragen drehen sich um Ausbildung, es gibt aber natürlich auch ein Informationsbedürfnis zu rechtlichen Problemen. Momentan sind Jugendarbeitslosigkeit und Studiengebühren große Themen.

derStandard.at: Wenn Du die Studiengebühren ansprichst: Was für ein Gefühl ist das jetzt für euch, wenn Ihr seht, dass so gut wie alle Parteien, auch die SPÖ, offenbar mit Gebühren leben können?

Michlmayr: Als Gewerkschaftsjugend sind wir ja überparteilich – und es wird in Zukunft wichtig sein, dass es kostenlose Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt. Wir werden auch weiterhin nicht von dieser Meinung abrücken und uns ist es wichtig, dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Komplett egal wer es macht - Hauptsache es wird gemacht.

derStandard.at: Sozialpartnerschaft und Gewerkschaft sind ja nicht gerade "junge" Themen – mit welchen Argumenten bringt ihr junge Menschen dazu, sich gewerkschaftlich zu engagieren?

Michlmayr: Indem wir zeigen, dass es wichtig ist, dass wer da ist wenn es Probleme gibt, dass wir helfen können, falls jemand Probleme in seinem Job oder seiner Ausbildung hat – das ist im Prinzip gelebte Sozialpartnerschaft.

derStandard.at: Gibt es bei der Jugend ein Bedürfnis sich zu engagieren? Man spricht ja oft von einer gewissen Politikverdrossenheit ...

Michlmayr: Also von Politikverdrossenheit kann man in der ÖGJ absolut nichts entdecken. Das sind politisch gesteuerte Aussagen. Wenn man sich anschaut, wie viele junge Menschen sich einsetzen, selber Politik machen, dann erkennt man ein großes Interesse und ein großes Potential.

derStandard.at: Noch einmal das leidige Thema Bawag-Skandal – wie ist die Stimmung im ÖGB jetzt? Ist das Ganze noch Thema?

Michlmayr: Thema ist es auf alle Fälle. Aber jetzt ist die Zeit, in der man auch merkt: Es muss jetzt wieder vorangehen. Die Menschen wollen einen starken ÖGB, und die Trotzphase ist vorbei – jetzt gehen alle vorwärts.

derStandard.at: Bist Du selber auch zuversichtlich, was die Zukunft angeht?

Michlmayr: Wenn ich mir die Gewerkschaftsbewegung anschaue, und das was sich im Reformprozess bereits getan hat, bin ich sehr wohl in Aufbruchsstimmung.

derStandard.at: Hattet Ihr nach dem Skandal mit Austritten zu kämpfen?

Michlmayr: Ganz klar. Das war zwar auf der Jugendseite nicht so dramatisch wie im Gesamt-ÖGB, aber es ist verständlich: Wenn so was passiert, dann reagieren die Mitglieder drauf.

derStandard.at: Deine Zukunftsvision – gibt’s in 50 Jahren noch einen ÖGB?

Michlmayr: Auf alle Fälle.

derStandard.at: Sieht er anders aus als heute?

Michlmayr: Schon in den nächsten Jahren wird mit Sicherheit einiges anders ausschauen. Und das ist auch gut und notwendig, dazu macht man ja Reformen. Aber ich bin sicher, dass die Sozialpartnerschaft Zukunft hat, auch weiterhin.