Robert Michlmayr (37) war früher aktiver Schwimmer. Seine Erfolge: Staatsmeister über 200, 400 beziehungsweise viermal 100 Meter Kraul, dreimal Verbesserung des österreichischen Rekordes (400 Meter Kraul). Heute ist er Schwimmtrainer und trainiert unter anderem Sportgrößen wie Markus Rogan, Fabienne Nadarajah (Vize-Weltmeisterin 2006) und Marilies Demal (Junioren Europameisterin 2004). 2005 wurde er zum "Trainer des Jahres" ausgezeichnet.

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Paul Haber (62) ist Facharzt für Innere Medizin und internistische Sportheilkunde. 1992 gründete er die Abteilung Sport- und Leistungsmedizin an der Universitätsklinik für Innere Medizin am AKH. Neben wissenschaftlichen Publikationen und der Veröffentlichung mehrerer Lehrbücher war er unter anderem Mannschaftsarzt des österreichischen Olympiateams in Barcelona und Atlanta. Bis 1965 war der Sportmediziner selbst aktiver Leistungsschwimmer.

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Hobbysportler, Leistungssportler oder sportlicher Einsteiger? Leistungsdiagnostik und Ziele sind in jedem Fall wichtig, sagt Schwimmtrainer Robert Michlmayr, der Sportmediziner Paul Haber warnt vor Überbelastung. Das Gespräch moderierte Regina Philipp. STANDARD: Sport ist gesund. Aber wann ist Bewegung eigentlich Sport?

Haber: Eine Definition von Sport ist schwierig, weil ja auch Segelfliegen als Sport gilt. Ich bevorzuge deshalb den Begriff Training. Für mich ist entscheidend, dass Störungen im Körper durch Bewegung günstig beeinflusst werden und sich die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert.

STANDARD: Man unterscheidet Leistungssport von Gesundheitssport. Ist Leistungssport nicht ungesund?

Michlmayr: Per se nicht. Ich bin Trainer für Schwimmsport, da kommt es kaum zu Verletzungen. Beim Schwimmen ist am ehesten die Schulter gefährdet. Durch präventive Übungen lässt sich die Verletzungsgefahr minimieren.

Haber: Leistungssport ist mit der Teilnahme an Wettkämpfen verbunden. Ein Hobbysportler trainiert unter Umständen sogar mehr als ein Leistungssportler. Gesundheitliche Probleme hängen immer von der Trainingsmenge ab. Es gibt aber nur wenige, die in gesundheitsgefährdender Weise Sport machen.

STANDARD: Wie ist das im Spitzensport?

Haber: Leistungssport ist nicht automatisch Spitzensport. Das Trainingspensum von Spitzensportlern ist enorm. Als Mediziner muss man die Entscheidung zum Spitzensport akzeptieren. Wenn jemand Olympiasieger werden will, ist damit ein erhöhtes Verletzungsrisiko verbunden. Auch viele andere Berufe sind mit gesundheitlichen Schäden verbunden.

Michlmayr: Ich trainiere niemanden, für den das Training langfristig gesundheitliche Probleme mit sich bringt. Aber kurzfristig riskiert man in seltenen Fällen schon auch Überbelastungssyndrome. Damit habe ich kein Problem, weil das in ein paar Tagen wieder weg ist.

STANDARD: Welcher Sport ist gefährlich?

Haber: Es gibt Sportarten, die verstärkt zu Verletzungen des Bewegungsapparates führen. Beim Skiabfahrtslauf kann schon allein durch die Beschleunigungskräfte ein Kreuzband reißen, ohne dass der Skifahrer dabei stürzt. Internistische Probleme, die das Herz-Kreislauf-System oder die Atmung betreffen, sind außer bei dem erwähnten Übertraining nicht zu erwarten. Bei Infekten mit Fieber muss man pausieren.

STANDARD: Macht Sport eigentlich anfälliger für Infekte?

Michlmayr: Im Leistungssport ist in manchen Trainingsphasen die Anfälligkeit für Infekte erhöht, beim Schwimmen besonders in der kälteren Jahreszeit.

Haber: Auch der Hobbysportler ist infektanfällig, wenn er fünfzehn Stunden pro Woche trainiert. Täglich eine Stunde Sport stärkt die Abwehr.

STANDARD: Wenn die Regelmäßigkeit fehlt, ist bei Sportarten wie Skifahren die Verletzungsgefahr doch besonders hoch?

Haber: Ein paar Mal im Jahr Ski fahren ist für mich Freizeitgestaltung und nicht Sport. Da denken 60 Prozent der Österreicher aber anders, das haben Umfragen ergeben. Sport ist Skifahren nur dann, wenn er regelmäßig ausgeübt wird. Die meisten Menschen mit schweren Schäden am Bewegungsapparat haben nie Sport betrieben. Im Gegenteil: Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Gelenkschäden bei Menschen, die Sport betreiben, seltener auftreten.

STANDARD: Es geht also um Regelmäßigkeit.

Haber: Ein Körper, der jahrelang nicht bewegt wird, ist nicht gesund, auch wenn ein Internist keine Erkrankungen findet.

STANDARD: Ist die Devise also "Sport, je früher, desto besser"?

Michlmayr: Kinder sollte man unbedingt zum Sport animieren, es sollte ihnen Spaß machen. Am besten bietet man ihnen mehrere Sportarten an.

Haber: Regelmäßige körperliche Betätigung ist für die Entwicklung ganz entscheidend. Österreichischer Sport ist Vereinssport, da gibt es die Aufsicht von qualifizierten Trainern. Sobald die Kinder an Wettkämpfen teilnehmen, wird es zum Leistungssport. Kinder lieben Wettkämpfe, und deshalb befürworte ich Leistungssport für Kinder.

Michlmayr: In Vereinen werden auch sportärztliche Kontrollen gemacht, im Hochleistungssport sind auch Physiotherapeuten involviert.

STANDARD: Das klingt, als wäre Hobbysport gefährlicher.

Haber: Ja, denn ein Sportler, der im Verein Sport betreibt, macht dies immer unter der Aufsicht von Trainern. Beim ehrgeizigen Hobbysportler ist die Gefahr der Überforderung wesentlich größer.

STANDARD: Aber nicht jeder will in einen Verein.

Michlmayr: Ich würde dann jedem Hobbysportler Sporttauglichkeitsuntersuchungen empfehlen.

Haber: Im Vereinssport sind überwiegend Jugendliche tätig. Hobbysportler sind häufig älter als dreißig und haben sich über viele Jahre wenig bewegt. Gesundheit kann man hier nicht automatisch voraussetzen. Eine medizinische Untersuchung ist für jeden Einsteiger ratsam.

STANDARD: Geht es also darum, die eigene Leistungsfähigkeit herauszufinden?

Michlmayr: Zur Sporttauglichkeitsuntersuchung gehört für mich ohnehin die Leistungsdiagnostik. Denn es geht nicht nur darum, dass der Sportler seinen Blutdruck kennt, sondern auch darum, die richtige sportliche Herausforderung zu wählen. Viele Hobbyläufer laufen zu schnell, das heißt zu intensiv. Sie verbessern damit weder ihre Grundlagenausdauer noch ihre Gesundheit. Die richtige Intensität wählt man, indem man mit einer Pulsuhr die Herzfrequenz misst. Am Trainingsbeginn sollte man niedrige Pulsbereiche wählen. Die genaue Intensität sollte ein Sportmediziner vorgeben.

STANDARD: Muss Sport also maßgeschneidert sein?

Haber: Maßgeschneidert erweckt den Eindruck, als ob jeder ein anderes Trainingsprogramm bräuchte. Vernünftiges Training folgt aber durchaus gewissen Regeln und wird nur individuell variiert. Generell kann man sagen, ein Ausdauertraining sollte die individuelle Leistungsfähigkeit zu 50 bis 65 Prozent auslasten. Für Untrainierte kann bereits schnelles Gehen eine 50-prozentige Auslastung bedeuten. Jemand, der jahrelang nichts getan hat, sollte beginnen, dreimal wöchentlich zwanzig Minuten zu laufen. Alle sechs Wochen kann er die Trainingseinheiten um zehn Minuten verlängern. So steigt das Pensum nach mehreren Monaten auf dreimal eine Stunde pro Woche.

STANDARD: Was, wenn man sich nicht an die Vorgaben hält?

Haber: Dann droht ein Überlastungssyndrom mit Symptomen wie erhöhtem Ruhepuls, Infektanfälligkeit oder Schlafstörungen.

STANDARD: Sie sprechen von Ausdauersport. Was ist mit Kraftsport?

Michlmayr: Im Leistungssport umfasst jedes Training verschiedene Bereiche. Auch im Schwimmsport wird Krafttraining gemacht. Nicht nur an Geräten, sondern auch zur Schulter- und Rumpfstabilisierung.

Haber: Muskeltraining ist vor allem für alte Menschen für die Erhaltung ihrer Mobilität wichtig. Im Leistungssport ist das Training immer sehr zielorientiert.

Michlmayr: Wobei hier nicht der Trainer Ziele vorgibt. Er unterstützt Leistungssportler nur, ihre Ziele zu erreichen. Als Trainer achte ich auf ad-äquate Zielsetzungen, sonst kommt es zu Misserfolgen.

STANDARD: Egal ob Hobby- oder Leistungssport, wie viel Sport ist genug Sport?

Haber: Diese Frage lässt sich isoliert nicht beantworten, denn es hängt immer vom Ziel ab. Für Hobbysportler würde sie korrekterweise "Wie viel Training ist genug, um die bestmöglichen, gesundheitlich relevanten Effekte zu erreichen?" lauten. Meine Antwort wäre zum Beispiel drei Stunden Ausdauertraining und zweimal Muskeltraining wöchentlich. Für jemanden, der Olympiasieger werden will, gibt es kaum ein Limit nach oben. Egal ob Hobby- oder Leistungssport, mehr als 15 bis 20 Stunden Ausdauertraining machen auf jeden Fall keinen Sinn. Da ist die Grenze der Trainierbarkeit eines Menschen erreicht.

STANDARD: Was passiert, wenn man von einem Tag auf den anderen keinen Sport mehr machen will?

Michlmayr: Jeder Leistungssportler weiß, dass er abtrainieren muss. Allerdings endet mit dem Ende der sportlichen Karriere auch der Einfluss des Trainers, und oft haben Sportler dann einfach keine Lust, noch irgendetwas zu machen. Meist hält dieser Zustand aber nur kurz an, man beginnt sich bald wieder zu bewegen.

Haber: Rein medizinisch gesehen ist es nicht gesundheitsgefährdend, sein Training von hundert auf null zu reduzieren. Es verursacht keine organischen Schäden. Wahrscheinlich kommt es aber zu vegetativen Beschwerden wie Herzklopfen, Schwindel oder Schweißausbrüchen.

STANDARD: Werden Menschen, die Sport machen, älter?

Haber: Regelmäßige Bewegung verlängert nicht die Lebenserwartung. Die ist genetisch vorprogrammiert. Aber die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Diabetes Typ 2 (Alterszuckerkrankheit) zu bekommen, reduziert sich deutlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 04.12.2006)