Wien - Noch ist kein einziges Unternehmen unter dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz - wie das neue Unternehmensstrafrecht juristisch korrekt heißt - auf die Anklagebank gesetzt worden. Aber in den Manageretagen herrscht seit Inkrafttreten des Gesetzes zu Jahresbeginn Nervosität.

Zu Recht, betonten die Wiener Wirtschaftsanwälte Alix Frank-Thomasser und Dominik Baurecht vergangene Woche im Gespräch mit Journalisten. Denn das Strafverfahren allein kann einem Unternehmen neben den Prozesskosten auch massiven Imageschaden zufügen.

Eine Verurteilung etwa für Verletzung der Sorgfaltspflicht bei internen Kontrollen kann neben der Strafe, die bis zu einer Million Euro betragen kann, das laufende Geschäft massiv stören. So könnten vorbestrafte Unternehmen von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, warnte Baurecht. Und Geschädigte könnten sich als Privatbeteiligte an das Strafverfahren anhängen und damit ihre Chancen für eine erfolgreiche Zivilklage deutlich erhöhen. Eine Verurteilung kann für das Unternehmen "den wirtschaftlichen Tod bedeuten", warnt Frank-Thomasser.

Gerade bei Umweltschäden ist in Zukunft mit einer Welle von Unternehmensstrafverfahren zu rechnen. Aber auch Transportunternehmen müssen aufpassen, dass tödliche Lkw-Unfälle in Zukunft nicht zu einer Anklage führen - etwa dann, wenn der Lkw-Fahrer zu einer Überschreitung der Arbeitszeiten gezwungen wird. Bisher konnten in solchen Fällen nur der Fahrer und seine Vorgesetzten, nicht aber das Unternehmen an sich belangt werden.

Auch Finanzstrafverfahren und sogar Bilanzmanipulationen à la Bank Burgenland oder Bawag werden wohl zu Anklagen führen. Unternehmen müssen daher schon jetzt beginnen, ihre internen Kontrollprozesse auf mögliche Rechtsrisiken zu überprüfen.

Gerade für größere Unternehmen könnte sich das neue Gesetz allerdings als zahnlos erweisen, warnt Frank-Thomasser. Die Strafe wird nach dem Vorsteuergewinn bemessen, der in gefährdeten Branchen künstlich niedrig gehalten werden könnte. Eine wirkungsvolle Vorbeugungsmaßnahme ist es, gefährliche Tätigkeitsbereiche in eigene Unternehmen auszulagern, die kaum einen Gewinn ausweisen. Wenn keine gesellschaftsrechtliche Verbindung zum Mutterkonzern besteht, kann dieser nicht belangt werden. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.12.2006)