Dem deutschen Bieter (netto 160.000 Euro) darf Egon Schieles Sitzende laut einer einstweiligen Verfügung nicht ausgefolgt werden. So wartet die Bleistiftzeichnung, sorgsam in Luftpolsterfolie verpackt, im Lager des Auktionshauses ("im kinsky").

Foto: STANDARD/Matthias Cremer
Wien – San Miguel de Allende, eine kleine, auch idyllische mexikanische Großstadt. Hier lebt Eva Merkel, und hier pflegte sie ihre Mutter, die österreichische Schriftstellerin Inge Merkel, bis zu deren Tod im Jänner dieses Jahres.

Inge Merkel vererbte ihrer Tochter eine Schiele-Zeichnung – jene, die am 21. November "im Kinsky" zur Versteigerung gelangte und für die ein deutscher Interessent 160.000 Euro bot. Obwohl Erwin Hirsch (siehe der STANDARD, 23.11.), zuvor Eigentumsansprüche angemeldet hatte. Die Sitzende sei seinem Vater vom NS-Regime gestohlen worden.

Jetzt ist das Gericht am Zug. Einen Tag nach der Auktion reichte der von einem Wiener Rechtsanwalt vertretene 86-jährige und derzeit in den USA lebende Hirsch gegen das Auktionshaus eine Klage ein. Es folgte eine einstweilige Verfügung, die Bleistiftzeichnung sei nicht an dritte Personen herauszugeben. "im Kinsky" reagierte am 29. November mit der "Benennung des Auktors". Der Einbringer und damit Eva Merkel habe in den Rechtsstreit einzusteigen. Der Klageschrift sind neben Eidesstattlichen Erklärungen des Klägers und der Israelitischen Kultusgemeinde Unterlagen beigefügt, die in der Aufklärung der Provenienzgeschichte eine Rolle spielen sollen.

Die Zeichnung ist auf dem hiesigen Markt nicht unbekannt. Auch Sotheby’s war kontaktiert worden. Die Experten "im Kinsky" hatten, so der Rechtsanwalt gegenüber dem STANDARD, einen höheren Erlös in Aussicht gestellt. An der Rechtmäßigkeit des Eigentums seiner Mandantin hätte es keinen Zweifel gegeben, weshalb man auf die Versteigerung bestand. "Vertrag ist eben Vertrag", so Hopmeier.

Seit mehr als 50 Jahren sei das Blatt laut Eva Merkel in Familienbesitz. 1938 waren ihre jüdischen Großeltern Georg Merkel und Louise Merkel-Romee nach Südfrankreich geflüchtet und kehrten erst Anfang der 70er-Jahre nach Wien zurück. Sohn Karl, Vater von Eva Merkel, blieb in Wien, studierte und wurde Mediziner. Stammt die Sitzende aus dem Besitz Georg Merkels, so hätte es dieser vor 1938 erwerben müssen, oder das Werk kam über seinen Sohn in den Besitz der Familie. Laut Informationen des Auktionshauses liegt der Familie jedenfalls eine stichwortartige, schlecht lesbare Notiz vor.

Ihr den gutgläubigen Erwerb in Abrede zu stellen, so Kunsthändler Herbert Giese, Verwalter des künstlerischen Nachlasses, sei "absurd!" Entgegengesetztes ist auch der über Unterlagen der IKG dargelegten Beweisführung des Klägers nicht zu entnehmen.

Belegbar ist nur, dass die Sammlung von Oskar Hirsch beschlagnahmt und veräußert wurde. Nicht aber, dass sich die Zeichnung darunter befand. Die 1938 von Otto Demus unterzeichnete Ausfuhrbewilligung der Sammlung Hirsch listet nur "25 Graphiken, 8 Zeichnungen etc." auf, in der Beschlagnahmeverfügung der Gestapo (Dez. 41) ist nur von einem Gesamtposten die Rede, wie in der VUGESTA-Abrechnung (September 43). Die aus dieser Zeitspanne zur Verfügung stehenden Kataloge des Dorotheums, damals in der Regel von der VUGESTA mit der Versteigerung beauftragt, wurden von der IKG überprüft, einen Hinweis auf die Zeichnung fand man laut Erika Jakubovits nicht. (Olga Kronsteiner/ DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.12.2006)