Die Österreicher lehnen Flüchtlinge mehrheitlich ab, strengen Asylgesetzen wie den seit Jahresanfang geltenden stimmen sie daher überwiegend zu - zumal diese ja wirkungsvoll den Asylmissbrauch verhindern: So charakterisieren Innenministerium, (Noch-)Regierung - und nicht zu vergessen die Kronen Zeitung - die nationale Stimmungslage.

Sie irren damit nicht: Der "Asylant" als Armutschkerl und Bösewicht gehört zum fixen heimischen Rollenrepertoire, die Ausländerfeindlichkeit zur gesellschaftlichen Grundstimmung. Umso bemerkenswerter und erklärungsbedürftiger ist es also, wenn sich - wie in diesen Tagen und Wochen - in verschiedenen Gemeinden Entgegengesetztes zuträgt.

Warum - so fragt man sich - opponieren im oberösterreichischen Grein, in Marchtrenk, Gallneukirchen und Pabneukirchen, im steirischen Leoben - und, wie man hört, auch mancherorts in Niederösterreich - Gemeindebürger und Bürgermeister gegen die Abschiebung von Asylwerbern? Wie kommt es, dass sie dabei von Landespolitikern unterstützt werden, dass gar Landeshauptleute bei der Innenministerin oder sonst wo in Wien intervenieren (und schon so manche Abfuhr bekommen haben), um die gesetzlich meist wasserdichten Asylablehnungen und Ausweisungen hintanzuhalten?

Das habe mit den besonderen menschlichen Seiten dieser Fälle zu tun, lautet die nächstliegende Erklärung. Bei den von Abschiebung Bedrohten handle es sich meist um ganze Asylwerberfamilien, deren Kinder in die Schule, deren Väter und Mütter arbeiten gingen und sich im Ort nützlich machten, die sich im Ort eingelebt hätten - und das meist schon seit vier, fünf Jahren: Sicher richtig, aber nicht Erklärung genug, um zu verstehen, warum derzeit verschiedene Gemeinden gleichzeitig "ihre" Asylwerber vor zwangsweiser Ausreise zu bewahren versuchen.

Ebenso sehr kann der aufkeimende Widerspruch nämlich als Reaktion auf die besondere Ungerechtigkeit der asylrechtlichen Entscheidungen betrachtet werden, die ihn ausgelöst haben. Als das, was passiert, wenn überschaubare Gemeinschaften - denn um kleinere Orte, nicht um anonyme Städte oder Standorte ebensolcher Flüchtlingsheime handelt es sich, wo gegen die Abschiebungen Protest laut wird - damit konfrontiert werden, dass einer, der irgendwie schon "dazugehört", herausgeschossen werden soll.

In diesen kleinen Orten, so scheint es, äußert sich die spontane Schreckreaktion auf grimmige Asyl- und Fremdengesetze, die zu nicht nachvollziehbaren und mit existenzieller Gefährdung verbundenen Entscheidungen führen. Zu Ungerechtigkeiten, wie sie ganz normale Österreicher von ihren Behörden nicht (mehr) gewöhnt sind, die Asylwerbern und anderen Fremden aber zugemutet werden. Die mit dem Verlust von gerade erst gewonnener Normalität und Heimat verbunden sind: Ganz so, wie es im Wahlkampf BZÖ-Spitzenkandidat Peter Westenthaler gleich für 300.000 Ausländer gefordert - und nachher zurückgenommen - hat.

Vorläufer von Plänen wie diesem und der schwarzblaurote Fremdenpaketsbeschluss von vergangenem Jahr haben letztendlich auch zu den realen Asylablehnungen und zu Ausweisebescheiden geführt, die jetzt umstritten sind. Eine Innenministerin Liese Prokop, die bei Fremdenrechtsbilanzen im Viermonatsabstand die steigende Zahl von Außerlandesschaffungen betont und die sinkende Zahl von Ausländern im Land lobt, macht die Musik zu all der Härte und Strenge. Vom Standpunkt des Menschenrechts aus sind das Misstöne.

Dabei gäbe es in der Ausländerpolitik andere Optionen: Neben der Einführung humanerer Gesetzen zum Beispiel auch die Möglichkeit, den Gemeindeprotest als Chance zu sehen: Würden Asylwerber bundesweit so behandelt wie dort, würden sie überall die Chance bekommen, dazuzugehören, würde auch das Misstrauen gegen sie schwinden. Doch ob das politisch gewünscht wäre, ist fraglich. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 24. November 2006)