Grafik: bookolino

Graz - Leserattenallee, Bücherwurmweg - in "Bookocity" führen alle Straßen zu einem oder gleich mehreren Büchern, die in Wolkenkratzern oder auf Kreuzungen, wo junge Leser Vorrang haben, geparkt sind. Wieder einmal verwandelte Verena Wagner das Grazer Literaturhaus in einen literarischen Erlebnispark, in dem auch Erwachsene gerne der Einladung folgen, mit einem Buch - auch räumlich - in andere Welten abzutauchen. Seit 2003 ist das Kinder- und Jugendbuchfestival bookolino mittlerweile zum fixen Bestandteil des Grazer Lesejahres geworden.

Nicht nur im Großstadt-dschungel von "Bookocity" ist Lesestoff für Jugendliche versteckt, auch in Pyramiden und einem Sarkophag eines Wüstenraums und in der Booko-Air, einem aus einer echten Flugzeuginnenwand samt dazugehörigen Sitzen nachgebauten Fluglinie, an deren Fenstern virtuelle Wolken vorbeifliegen. Für die jüngsten Bücherwürmer stehen heuer ein riesiges Beduinenzelt mit bunten, orientalischen Laternen und ein Schiff mit Strand und mit Bilderbüchern bereit.

Alle Räume dürfen und sollen wie stets bespielt werden - heuer noch bis 29. November täglich von neun bis 18 Uhr. Doch auch jene, die den Lesestoff produzieren, sind wieder zum Anfassen vertreten: Insgesamt 23 Autoren und Illustratoren kamen nicht nur zum Vorlesen, sondern werden auch in Workshops aus ihren Nähkästchen plaudern.

Heute, Freitag, lesen unter anderem Jutta Bauer und Peter Stamm aus Warum wir vor der Stadt wohnen, und der Belgier Bart Moeyaert gibt mit seinem Roman Brüder einen Einblick in das Leben kinderreicher Familien - ein "modernes Bullerbü-Idyll", wie bookolino-Chefin Riki Erwa-Winter verspricht.

Wider die Idyllik

Gar nicht idyllisch sind die Jugendbücher von Gudrun Pausewang, deren Lesung in der bookoNightline am Dienstag als einer der Höhepunkte des Festivals gilt. Die 78-jährige Deutsche beweist seit Jahren, dass man jungen Menschen nicht nur alles erklären kann, sondern sogar muss. Pausewang hat unter anderem in Reise im August den Holocaust oder in Die Meute jugendliche Neonazis in sensiblen Romanen thematisiert, die man Eltern und Lehrern nur empfehlen kann. Die Verfilmung ihres 1987 unter dem Eindruck Tschernobyls entstandenen Romans Die Wolke lief heuer in den Kinos an.

Fast 2000 Besucher kamen im Vorjahr zum Festival, für das die Stadt Graz dem Literaturhaus eine zusätzliche Förderung zahlt. Der Eintritt beträgt dafür nur einen Euro. Bleibt zu hoffen, dass bookolino , das heuer erstmals eine ganze Woche dauert, auch 2007 stattfinden wird und die einzige große Literaturveranstaltung der Stadt für Kinder nicht kommenden Budgetkürzungen geopfert wird. (Colette M. Schmidt / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.11.2006)