Dadurch ist es öffentlichen Auftraggebern bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich verwehrt, solchen "Leitlinien" widersprechende Regelungen zu treffen. Abweichungen von Leitlinien sind nur in begründeten Ausnahmefällen und in einzelnen Punkten zulässig. Diese Bestimmungen wurden erst kurz vor Inkrafttreten auf Anregung von Vertretern der Wirtschaft in das BVergG aufgenommen.
Gegen diese einschränkenden Regelungen regt sich nun vermehrt Widerstand. Öffentliche Auftraggeber befürchten, künftigen Vergaben nicht mehr an den jeweiligen Auftragsgegenstand angepasste Verträge und Leistungsbeschreibungen zugrunde legen zu können.
Antrag auf Gesetzesprüfung
Zwischenzeitig ist beim Verfassungsgerichtshof auch bereits ein Antrag auf Gesetzesprüfung eingelangt. Inhaltlich wird geltend gemacht, dass die Regelungen insgesamt zu unbestimmt sind und die Privatautonomie öffentlicher Auftraggeber massiv beschneiden.
Beispielhaft wird angeführt, dass öffentliche Auftraggeber aufgrund der heranzuziehenden Önormen nachteilige Regelungen (im Vergleich zum ABGB) in Kauf nehmen müssen: Etwa beschränkt die Önorm B 2110 die Schadenersatzverpflichtung des Auftragnehmers bei leichter Fahrlässigkeit mit fünf Prozent des Auftragswertes (unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Schadens); weiters gehen Ereignisse höherer Gewalt zulasten der Auftraggeber - Bieter haben in einem solchen Fall entsprechend der Önorm B 2110 Anspruch auf Verlängerung der Leistungsfrist und Ersatz der Mehrkosten.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der Bestimmungen ergeben sich aber auch vor dem Hintergrund, dass Vergabeverfahren primär einen fairen und lauteren Wettbewerb auf der Basis vergleichbarer Angebote sicherstellen sollen. Dafür ist aber eine Bindung an "Leitlinien" nicht erforderlich.
So sind die Ausschreibungsunterlagen schon nach § 79 Abs 3 BVergG so auszuarbeiten, dass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken von den Bietern ermittelt werden können. Solange aber ungünstige Vertragsbestimmungen etwa bei der Kalkulation des Angebotspreises berücksichtigt werden können, ist den Zielsetzungen des Vergaberechts Genüge getan. Eine darüber hinausgehende Regelung ist nicht mehr erforderlich.
Weiters werden Vergabekontrollbehörden auf Basis der §§ 97 Abs 2 und 99 Abs 2 BVergG legitimiert, zivilrechtliche Vertragsbedingungen für nichtig zu erklären, wenn diese von "geeigneten Leitlinien" abweichen. Die Kontrolle von Verträgen ist aber eine Aufgabe, die ausschließlich den Zivilgerichten zukommen muss. Diese Zweigleisigkeit der zivilrechtlichen Prüfung durch Zivilgerichte und Vergabekontrollbehörden ist aber auch deswegen abzulehnen, da die Dauer von Vergabekontrollverfahren gesetzlich stark beschränkt ist und daher für eine eingehende Prüfung vertraglicher Bestimmungen zu wenig Zeit bleibt.
Unklare Leitlinien