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Eine Roma-Vertreibung in einem Mitgliedsland der Europäischen Union: Seit Ende Oktober, als sie von den Bewohnern von Ambrus südöstlich der Hautpstadt Ljublijana unter Gewaltandrohung zum Verlassen ihrer Häuser gezwungen wurden, hält das Schicksal der Familie Strojan Slowenien in Atem.

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Die Kinder der Strojans in ihrer jetzigen Unterkunft.

AP Photo/Filip Horvat

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Informiert durch den slowenischen Ombudsmann für Menschenrechte, Matjaz Hanzek, begab sich der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg (Archivbild), vergangene Woche vor Ort – und übte scharfe Kritik an den Vorgängen: Es sei "inakzeptabel", dass eine Gruppe von Menschen ihre Häuser verlassen musste, "weil dies die Mehrheitsbevölkerung verlangt hat und die Sicherheit dieser Minderheit bedroht war."

AP Photo/Christian Lutz

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Dass der Protest aber mehr auf Roma-Hass und weniger auf sachliche Argumente zurückzuführen ist, zeigen die Vorwände, die von den Dorfbewohnern dafür vorgebracht wurden: Erstens eine Schlägerei, in die ein Bewohner der Roma-Siedlung verwickelt war und bei der ein Dorfbewohner lebensgefährlich verletzt wurde. Allerdings ist jener Bewohner der Roma-Siedlung selbst nicht Angehöriger der Volksgruppe, sondern wohnte lediglich dort.

AP Photo/Filip Horvat

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Zweitens wohne die Roma-Familie in einem Wasserschutzgebiet und verschmutze das Grundwasser. Gerüstet mit diesen Vorwänden versammelten sich zunächst 20 Dorfbewohner, bald waren es 200 und was dann folgte, war geradezu eine Menschenhatz.

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Die Familie ist inzwischen in einem Flüchtlingslager in Postojna untergebracht.

REUTERS/Tina Kosec

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Die rund 30 Roma wurden mit dem Tod bedroht, letztlich eskalierte die Lage so weit, dass die Familie in den Wald flüchten musste. Doch damit nicht genug, es folgte auch noch eine Anzeige wegen illegalen Campings im Wald. Gegen die protestierenden Dorfbewohner wurde Anzeige wegen Abhaltung einer nicht genehmigten Demonstration erstattet.

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Im Flüchtlingsheim in Postojna

REUTERS/Tina Kosec

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Angesichts der zugespitzten Lage begab sich Innenminister Dragutin Mate (Archivbild) vor Ort. "Sie haben auf die Ankunft des Innenministers gewartet, damit dieser mit der Familie verhandelt", berichtet Bostjan Vernik, Mitarbeiter von Ombudsmann Hanzek. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, drohten die Bewohner mit einem Wahlboykott bei den laufenden Kommunalwahlen, berichtet Vernik weiter.

REUTERS/Ian Hodgson.

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Nach stundenlangen nächtlichen Verhandlungen gab Mate den Forderungen der Dorfbewohner nach: Die Familie wurde in ein Flüchtlingsheim in die 90 Kilometer entfernte Stadt Postojna gebracht. Den Roma versprach er, innerhalb von drei Wochen ein Ersatzquartier in einer anderen Gemeinde zu finden.

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Die Kinder der Strojans im Flüchtlingslager Postojna.

AP Photo/Filip Horvat

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Inzwischen aber hat der erfolgreiche Protest der Ambruser Nachahmer gefunden. Nachdem bekannt wurde, dass sich das von der Regierung versprochene Ersatzquartier für die Familie im Ort Malo Hudo befinden würde, hielten auch dort rund 300 Dorfbewohner eine Protestkundgebung ab. Um der Familie den Zugang zu dem für sie bestimmten Grundstück abzusperren, errichten sie gar Barrikaden.

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Die verlassene Siedlung in Abrus.

REUTERS/Srdjan Zivulovic

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In Ambrus selbst ist weiter eine Art Bürgerwehr im Einsatz, die das Grundstück der Strojans "bewacht", um eine Rückkehr der Familie zu verhindern. Jeder einfahrende Lastwagen werde kontrolliert, damit nicht Wohncontainer für die Familie angeliefert werden können.

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Ein Polizist füttert die von der Familie Strojan zurückgelassenen Tiere.

REUTERS/Srdjan Zivulovic

Für Ombudsmann Hanzek ist für diese nun ausweglos scheinende Situation die Regierung mitverantwortlich, da sie den Forderungen der Dorfbewohner nachgegeben hat. Dass eine "wütende Menschenmasse" die Umsiedlung von einer Familie erzwingen kann ist für ihn das "Ende des Rechtsstaats". Im derStandard.at-Interview fordert er die Behörden auf, für die Rückkehr der Familie in ihre Häuser zu sorgen und unter Einhaltung rechtsstaatlicher Anforderungen eine Lösung zu finden. (sof, derStandard.at, 20.11.2006)

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Hanzek im Gespräch mit dem ZARA-Vorsitzenden Dieter Schindlauer, der im Rahmen eines EU-Projekts mit Hanzeks Behörde zusammenarbeitet.

Foto: derStandard.at/Sonja Fercher