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Funktioniert das "Eintrichtern" nach dem Prinzip des Trichters von Nürnberg an den Unis?

Foto: Archiv
Wien - Urheberrechte sind nicht erst seit Beginn des digitalen Zeitalters ein Diskussionsthema. Mitschriften, so die GermanistInnen Elisabeth Grabenweger und Stephan Kurz, waren schon im 19. Jahrhundert ein Diskussionsthema um die Weitergabe geistigen Eigentums.

"Die Verbreitung von Mitschriften nahm zu, als es nicht mehr nur um Inhalte von Lehrbüchern ging, sondern Neues mit einfloss", weiß Grabenweger, die derzeit an ihrer Dissertation arbeitet. Davor speicherten Mitschriften vor allem Informationen, die ohnehin in Lehrbüchern wiederholt zu finden waren. 1837 wurde von Preußen das Gesetz "zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst in Nachdruck und Nachbildung" erlassen.

Der Fall Taras Borodajkewycz

Um die Relevanz des Urhebers einer Mitschrift zu betonen, bezieht sich Grabenweger auf den Fall Taras Borodajkewycz: Der jetzige Bundespräsident Heinz Fischer griff 1962 in einem Artikel über "Neonazismus an Hochschulen" den Professor an. Grundlage für Fischers Argumente war die Mitschrift eines Kollegen, dessen Namen er nicht nennen wollte. Wegen Ehrenbeleidigung wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Als jedoch Jahre später der Autor der Mitschrift, Ferdinand Lacina, bekannt wurde, wurde das Urteil gegen Fischer aufgehoben. "Nur wenn der Autor bekannt ist, hat eine Mitchrift auch gerichtliche Relevanz", fasst Grabenweger zusammen.

Das Mitdenken verhindern

"Das Konzept des Trichters von Nürnberg funktioniert so nicht", betont Stephan Kurz. Dieses sehe vor, dass Wahrheit in die Köpfe der HörerInnen fließt, und auch als Wahrheit wieder rauskomme. Da der Vortragende aber nicht unmittelbaren Einfluss auf die Schriften der Studierenden habe, müsse die Mitschrift auch nicht unbedingt der vom Vortragenden gewünschten Wahrheit entsprechen. "Sicher versuchen LektorInnen, auf die Mitschrift einzuwirken", meint der Dissertant. Das Mitdenken der Studierenden werde unter anderem durch Handouts und Präsentationen hintergangen.

Vortragende üben Macht über die Studierenden aus, das Diktat sei die Elementarszene der Vorlesung. Die Unvereinbarkeit zwischen den Vortragenden und den Hörern sei nach Ansicht der Germanistin Grabenweger in der Mitschrift wiederzufinden. Vor allem wortwörtliche Mitschriften oder die Beschaffung fremder Mitschriften werden von den Lehrenden beklagt.

Unwichtiges rausfiltern

Im Internet ließen sich viele Tipps zu Mitschriften finden: "Wer nicht zuhören kann, kann auch nicht mitschreiben", zitiert Kurz eine Onlinequelle. Das bedeute vor allem, dass das Unwichtige vom Wichtigen getrennt werden müsse, um eine sinnvolle Mitschrift zu erstellen. "Der Mensch ist kein Tonbandgerät, und die Mitschrift kein Protokoll", meint er. Die Mitschrift beinhalte eigene Notizen und Gedanken, würde das Gehörte auch weiterführen, während Protokolle eine leicht zu verstehende Wiedergabe von Vorträgen seien.

"Mitschriften geben Auskunft über die Grenzen der Vorlesung", sind sich Grabenweger und Kurz einig. Die Art des Mitschreibens ändere sich stetig, da nicht nur Vortragende, sondern auch HörerInnen selbstständig wissenschaftlich agieren. Wichtiger als die Art sei aber die Frage der Un-Freiheit der Mitschrift, resümieren die beiden. (lis)