Vor dem Essen Niederlegen, nach dem Essen Tanzen
Reservieren ist im Phoenix Club unerlässlich und nur via Internet möglich

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fotos: Gerhard Wasserbauer

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Es war einmal vor langer Zeit, da galt die Lerchenfelder Straße 35 als heiße Adresse. In der Diskothek "Studio 35" sollen rauschende Partys gestiegen sein, als die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts noch jung waren. Später wurde unter teils rasant wechselnden Namen weiter getanzt, zuletzt vornehmlich Salsa – aber das ist auch schon lang vorbei. Vergangene Woche nun wurde hier ein Restaurantkonzept aus der Taufe gehoben, das in anderen Städten längst erprobt sein mag, auf Wiens konservativem Party-Pflaster gleichwohl erheblichen Mut erforderte.

Im weitläufigen, bunt ausgeleuchteten "Phoenix Supper Club" speisen bis zu 160 Gäste im Liegen, entlang der Wand aufgereiht, auf weiß bespannten Matratzen. Neben einem "fixed Menu" wird Unterhaltung und Entspannung konsumiert: Ein DJ beschallt den unterirdischen Saal, Darstellerinnen in karnevalesken Kostümen stelzen umher, Akteure treten auf. Es gibt Masseure, die die Entspanntheit der Gäste im Nacken- und Fußbereich fördern sollen. Geschminkte Kellner und Kellnerinnen balancieren zwischen Gäste-Schuhen. Im Toilettebereich gibt es frische Socken zu kaufen.

Ab sechs können Drinks geordert werden, um halb acht wird das Essen aufgetragen – wer später kommt, steigt in die Speisenfolge ein. Vier Gänge plus ein Gruß aus der Küche werden in großen, tiefen Tellern serviert, die sich halbwegs sicher auf den Knien balancieren lassen. Gläser und Flaschen finden auf kleinen Beistelltischen Platz.

Bewegbar trifft Pizza Flitzer

Dieses in München oder San Francisco erprobte System wird in Wien von zwei Gastronomen realisiert, die bislang völlig unterschiedliche Marktsegmente bedienten und ein entsprechend erstaunliches Gespann abgeben: Einerseits Oliver Kaiser, Szenefigur und mit dem Drink-Catering "Bewegbar" nicht zuletzt am Life Ball erprobt, anderseits Erwin Kreczy, Gründer des Delivery-Anbieters "Pizza Flitzer".

Für das "Supper" zeichnet Mike Köberl verantwortlich, der als "Food Stylist" vorgestellt wird. Er agiert hinter einer Theke, wo ein Förderband Teller aus der Küche anliefert, die über eine Kette von Kellnern an die Gäste weitergereicht werden. Das verhindert Küchengerüche, dafür dauert es, bis die Speisen da sind: Derweil schaffen es Fisch und Fleisch nur in Raumtemperatur an die Liegen. Das Menü wechselt abendlich, jenes von Donnerstag voriger Woche darf als Beispiel gelten: Weißes Tomatenmousse mit Tomatenchutney, beides verblüffend süß, gefolgt von Zander mit Tomatenschaum, Wildreis, Kürbis, dann Rindsfilet mit Garnele, Polenta und, einmal geht noch, Tomaten-Fenchelgemüse. Fisch und Fleisch sind auf der sicheren Seite durchgebraten und können den Aufenthalt unter der Wärmeglocke nicht ganz verhehlen. Drei Gänge mit Tomate in Folge reichen erst einmal auch, schließlich ist Ende November. Auf Bestellung können Menüs ohne Schweinefleisch und vegetarische Optionen geordert werden.

Die wild zusammengewürfelte Weinkarte ist noch recht erratisch kalkuliert, Rechtschreibung, Übersetzung und Allgemeinwissen haben dafür kabarettistische Qualität. Ein Glanzstück unter vielen bietet ein legendärer Wein aus Pauillac: "Chateu Mouton Rothschild 2001, Weingut Haut-Médock, ¬ 650.-". Macht vier Fehler in einer Zeile. (Severin Corti/Der Standard/Rondo/17/11/2006)