Die Stasi-Ecke.

Foto: DDR-Museum
Zwei Japanerinnen sitzen in dem kleinen Trabi. ?Smile?, sagt die Fotografin. Die Japanerinnen lächeln nicht, sie lachen. So laut, dass es fast ein Kreischen ist. Im kleinen Wohnzimmer, das typisch ?DDR? sein soll, lümmelt ein junger bulliger Norweger auf dem Sofa, zappt durch die Schwarz-Weiß-Programme. ?Schwarzer Kanal?, fragt er seine Freunde und zuckt mit den Achseln. An einem Wuzler spielen zwei Engländerinnen das legendäre WM-Spiel von 1974 zwischen der BRD und der DDR nach. Der Wuzler ist allerdings so umgebaut, dass nur die DDR-Mannschaft Tore schießen kann. Auch dieses Detail gibt einen Eindruck davon, dass es hier im Berliner ?DDR-Museum? eher irreal als realistisch zugeht. Dabei hatte der Rundgang sehr wahrhaftig angefangen, betritt man das Museum vorbei an einem Modell der Berliner Mauer, mit dem Gefühl, die Grenze zu einem anderen Land namens DDR überschritten zu haben. Tatsächlich aber landet man auf einem anderen Planeten.

Privat-Exhibition

Die wie eine Privat-Wohnung auf 400 Quadratmeter eingerichtete und in 17 Themen-Schwerpunkte geordnete Ausstellung wurde vor ein paar Monaten eröffnet. Seitdem entwickelte sich das Privatmuseum, das auf Initiative eines Freiburger Ethnologen entstand, zum großen Erfolg. In der Mitte der deutschen Hauptstadt gelegen wirbt es mit dem Slogan ?Alltag eines vergangenen Staates zum Anfassen?. Tatsächlich gibt es schon in ein paar anderen Städten Deutschlands DDR-Alltags-Museen, in Berlin fehlte ein solches bis dato. Das DDR-Museum will diese Lücke schließen und ?Geschichte lebendig, interaktiv und spielerisch? vermitteln. Der interaktive Anspruch gelingt sehr gut. Man kann seine Nase in eine Geruchsmaschine stecken und den Duft des Desinfektionsmittels riechen, das jeder Schüler der DDR kannte. Man öffnet Schubladen, in denen Artefakte der Punk- oder Beatbewegung ausgestellt sind, blättert in einem Brigade-Buch, stöbert in Küchenschränken, in denen die Coca-Cola-Flaschen als West-Trophäen aufbewahrt wurden.

Über Kopfhörer lauscht man den ?Puhdys? oder ?City?, setzt sich an ein Abhörgerät, mit dem wachenden Blick von Erich Honecker über dem Haupt. Erstaunlich ist die fast kindliche Begeisterung, mit der die Besucher ihre Finger über Klamotten, Mitropa-Geschirr und Veritas-Nähmaschinen fahren lassen. Niemand schaut bedrückt, so wie etwa die Besucher des Deutschen Historischen Museums, das sich ein wenig weiter Unter den Linden befindet und in dem es um harte Fakten geht. Durch das ?DDR-Museum? dagegen weht ein Hauch ?Ostalgie?, der Besucher bekommt die DDR als bunten Themenpark präsentiert; vermittelt durch Marken und Produkte wie Mondo-Kondome, FDJ-Hemden, Sofix-Pudding oder ?Ein Kessel Buntes?, an die sich viele Menschen heute scheinbar lieber erinnern als an Stasi oder SED. Der informative Anspruch des Museums beschränkt sich auf knappe, immerhin seriöse Hinweisschilder. Wichtige Zusammenhänge bleiben ausgespart.

Sinnliche Peep-Show

So bleibt es vor allem bei einer intellektuell schwachen, aber sinnlichen Schlüsselloch-Schau in das Wohnzimmer eines untergegangenen Landes, über dessen Geschichtsdeutung besonders seit dem Film ?Das Leben der anderen? wieder kontrovers diskutiert wird. Am Ende des Rundgangs, nachdem man noch über die liebsten Reiseziele der DDR-Bürger aufgeklärt wurde (Zakopane, Sotschi, Liberec) blickt der Besucher schließlich noch auf eine FKK-Modelllandschaft und bestaunt ein Video mit Interviews von FKK-Freunden. Ein Finale wie ein Paukenschlag und mit enormer Symbolkraft, denkt man sich. Was bleibt am Ende von der DDR? FKK? War es vielleicht sogar die Freikörperkultur, die der DDR letzten Endes den Garaus gemacht hat? Die Botschaft bleibt das Geheimnis der Kuratoren. Während mit dem Palast der Republik eines der stärksten Symbole der politischen DDR jeden Tag ein bisschen mehr verschwindet, scheint der ausrangierte Arbeiter- und Bauernstaat hier gegenüber von ?Erichs Lampenladen? an der Uferpromenade der Spree paradoxerweise zu neuem Leben erweckt zu werden. An der Stelle, wo früher das noble DDR-Palasthotel stand und heute das edle SAS, lockt das Museum hunderte von Besuchern täglich. Ihnen scheint diese Art von eigenwilliger DDR-Alltagsschau gut zu gefallen. Davon zeugen euphorische Gästebucheinträge. Ein Mädchen namens Jo schreibt: "Ich fand das Museum total super. Ich hab zwar zu DDR-Zeiten noch nicht gelebt, aber ich würde gerne. Ich würde auch gerne im Osten gelebt haben, obwohl sie ärmer waren." (Ingo Petz/Der Standard/Printausgabe/11./12.11.2006)