Die Endberichte der Teilprojektgruppen des ÖGB zur Reform der Gewerkschaft liegen derStandard.at vor.

faksimile: derStandard.at
Sie gilt als die letzte Chance für den ÖGB die Lasten der Vergangenheit abzustreifen und ganz von vorne zu beginnen: Die ÖGB-Reform. Am Ende sollte sogar "eine der modernsten Gewerkschaftsbewegungen Europas" (Präsident Rudolf Hundstorfer) entstehen. Mittlerweile haben die Teilprojektgruppen ihre Endberichte fertig gestellt. Sie liegen derStandard.at nun exklusiv vor. Die einzelnen Berichte (zum Download siehe links) haben die Latte für die anstehenden Reformen innerhalb des ÖGB hoch gesteckt. Hier einige der brisantesten Reformwünsche:

  • Die Mitglieder des ÖGB-Bundeskongress dürfen laut neuer Bezugsordnung maximal 8.866 Euro Brutto verdienen.
  • ÖGB Bezug ruht im Ausmaß der Überschreitung. Es erfolgt eine Zweckwidmung in einen Fonds für gemaßregelte GewerkschaftsaktivistInnen
  • (Mögliche Auswirkungen siehe weiter unten)

  • Frauen in Toppositionen sind im Reißverschluss-System zu berücksichtigen: Mit anderen Worten: Jede zweite Topposition soll in Zukunft von Frauen besetzt werden
  • Der ÖGB-Vorstand muss einen Lebensstil und ein Einkommen haben, das "in einem akzeptierten Verhältnis zu den von uns vertretenen Mitgliedern steht."
  • Quotenregelung für Minderheiten: In den Gremien sollen Minderheiten entsprechend ihrer Mitgliederanzahl vertreten sein.
  • Gewerkschaftsvorsitzende, die auf Landes- Bundes- oder EU-Ebene in die Legislative wechseln, stellen ihre Gewerkschaftsfunktion ruhend
  • Veröffentlichung aller Gehälter im Internet
  • Der ÖGB soll überparteilich sein und die Unterschiede der einzelnen Fraktionen nach außen sichtbar machen
  • Bezahlte Nebenfunktionen: Arbeitszeit im ÖGB wird analog und somit auch das Gehalt gekürzt
  • Jährliche Offenlegung aller Funktionen auf der ÖGB Website

Gehaltsobergrenze

Besonders die Gehälterreform war in den vergangenen Monaten heftig diskutiert worden. Bei der ÖGB-Klausur im Juni war noch von einer Obergrenze von 11.000 Euro die Rede, was bei den Gewerkschaftern auf heftige Kritik stieß. Sollten die Forderungen nach einer Obergrenze von 8.866 Euro umgesetzt werden, hieße das für Präsident Hundstorfer Folgendes: Bei seinem Amtsantritt Ende März bezifferte er seinen Monatsverdienst mit 12.400 Euro brutto (7.200 Euro als Vorsitzender des Wiener Gemeinderats sowie 5.200 Euro Funktionsentschädigung im ÖGB). Nach der Reform würde Hundstorfer nur noch 1.200 Euro für seine Gewerkschaftsfunktion bekommen, der Rest müsste demnach in einen Fonds fließen.

Umsetzung der Reformen

Inwieweit die umfassenden Forderungen der Teilprojektgruppen umgesetzt werden, wird beim Bundeskongress 2007 von der ÖGB-Spitze entschieden werden. Markus Koza von den Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen glaubt nicht an einen Reformprozess. "Die Arbeit der Teilprojekte beurteile ich durchaus als positiv. Doch das alles nützt nichts, wenn die Herrschaften an der Macht die wichtigsten Punkte nicht wollen. Die Quotenregelung für Minderheiten wird sicher nicht bald kommen." Das andere Problem sieht Koza darin, dass sich die Beschäftigungsstrukturen in den Basisgremien niemals widerspiegeln werden.

Koza ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Eine Teilnehmerin an einer Teilprojektgruppe, die anonym bleiben möchte, ortet "ein heftiges Beharrungsvermögen im ÖGB, wesentliche Bereiche bleiben wie sie sind, da wird sich trotz Arbeitsgruppen nichts ändern."

Enormer Zeitdruck

Auch die Arbeit in den Projektgruppen sei alles andere als optimal abgelaufen. "Wir standen unter enormen Zeitdruck und konnten daher nicht ins Detail gehen. Klüger wäre es gewesen die Projektgruppen hintereinander statt parallell arbeiten zu lassen."

Die Mitgliederbefragung als Basis für die Teilprojekte sei ebenso wenig in die Arbeit eingebaut worden. "Die meisten Gruppen hatten ihre Arbeiten schon längst abgeschlossen, da haben sie erst die Ergebnisse der Mitgliederbefragungen gesehen und konnten nur noch vergleichen", erzählt die Teilnehmerin.

Reform or Death

Anders sieht das Erich Gumplmaier von der Teilprojektgruppe "Neue Glaubwürdigkeit". Der Initiator der ÖGB-Initiative "zeichensetzenundmitreden.at" glaubt an eine prinzipielle Bereitschaft von Präsident Hundstorfer, die Vorschläge der Arbeitsgruppen "sehr ernst" zu nehmen. Es bestünde auch keine Alternative dazu, meint Gumplmaier, denn "entweder die Weichenstellung für einen reformierten ÖGB gelingt, oder wir sind zum langsamen Sterben verurteilt", sagt der oberösterreichische Bundesrat.

Zweifel

Dass alle Vorschläge tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, bezweifelt aber auch Gumplmaier. Am wichtigsten wäre es aus seiner Sicht, die Zusammensetzung der Gremien zu reformieren, die Einkommenssituation transparent zu machen und Doppelfunktionen zu verhindern. Auch müsse man die direkte Beeinflussung der Politik zurückzuschrauben. "All diese konkreten Maßnahmen müssten auch als Leitsätze in die Präambel aufgenommen werden", so Gumplmaier. Die Vorschläge der einzelnen Arbeitsgruppen würden im Lenkungsausschuss von 22. bis 24. November besprochen, notwendige Beschlüsse im Jänner 2007 beim ÖGB-Bundeskongress gefasst.

Optimismus

"Natürlich glauben alle TeilnehmerInnen an die Umsetzbarkeit unserer Vorschläge, sonst hätten wir den Bericht auch nicht in dieser Form verfasst", zeigt sich Michael Novak von der Teilprojektgruppe "Kommunikation" optimistisch. In das "interne Arbeitspapier" seien die Ergebnisse der Mitgliederbefragung, soweit das terminlich noch möglich war, einbezogen worden. Novak hält weitere Schritte auch nach dem ÖGB-Bundeskongress im Jänner 2007 für erforderlich, wenn die Rahmenbedingungen des "ÖGBneu" klar auf dem Tisch liegen.

ÖGB-Pressesprecherin: Nur Zwischenberichte

ÖGB-Präsident Hundstorfer war am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Pressesprecherin Annemarie Kramser hält gegenüber derStandard.at fest, dass es sich bei den Dokumenten großteils nur um Zwischenberichte handelt, die von den zuständigen Gremien noch diskutiert werden. Der Endbericht werde erst Ende November im Projektlenkungsausschuss erstellt. In diesen Endbericht würden dann auch noch die Ergebnisse der Mitgliederbefragung und der Regionalkonferenzen einfließen. (gum/mhe/rasch/az)