Castello di Grinzane Cavour

Foto: Premio Grinzane

Günter Grass erhielt wie sieben andere Nobelpreisträger auch, zunächst einmal den Premio Grinzane.

Foto: Premio Grinzane
Grinzane/ Rom - Wegen der Trüffel ist Ksenia Kuznetsowa nicht nach Alba gekommen. Manchmal wirft die blonde Russin einen neugierigen Blick in verlockende Auslage eines Feinkostladens oder eines Schuhgeschäfts. Doch die Aufmerksamkeit der Studentin aus St. Petersburg gilt einer zweistündigen Stadtführung auf den Spuren des Autors Beppe Fenoglio, dessen Erzählung "Die 23 Tage in Alba" sie ins Russische übertragen hat.

Nach Piemont eingeladen hat die Russin eine Stiftung, die in einem kleinen Weinort der Langhe residiert, aber als kulturelle Großmacht agiert: die Fondazione Grinzane Cavour. Kaum vier Quadratkilometer umfasst die Gemeinde in den Weinhügeln um Barolo. Und weil in dem mächtigen Schloss, das den Ort überragt, Italiens Staatsgründer Camillo Cavour residierte, nennt sich der Ort Grinzane Cavour. Der dort gegründete Preis sollte ursprünglich Schüler zum Lesen anregen. So überließ man die Entscheidung 270 Schülern italienischer Gymnasien zwischen Turin und Buenos Aires.

Stiftung feiert 25-Jahr Jubiläum

Längst hat sich die vor 25 Jahren gegründete Stiftung zu einem internationalen Kulturforum entwickelt, dessen Expansion unaufhaltbar scheint. Für acht Autoren war der Premio Grinzane ein Vorbote des Nobelpreises: Wole Soynka, Nadine Gordimer, José Saramago, Günter Grass, Vidiadhar Naipaul, J.M. Coetzee und Ohran Pamuk. Zu den Preisträgern zählen auch Thomas Bernhard und Robert Schneider, Paulo Coelho und Cees Nooteboom, David Grossmann und Jorge Amado, Mario Varga Llosa, Abraham Yehoshua, Nathalie Sarraute, Doris Lessing und Peter Esterházy. Im Lauf der Jahre wurden neue Preise eingeführt - für Erstlingswerke, Essayisten, Übersetzer, Verleger, Künstler.

Kulturelles Netzwerk

In 25 Jahren hat die Grinzane-Stiftung im berühmten Weingebiet der Langhe und des Monferrato mit dem "Parco culturale" ein beispielloses kulturelles Netzwerk geschaffen, das Schlösser, Museen, Kulturpfade, Ausstellungsräume, Bibliotheken und Tagungsorte umfasst. Im Barockschloss von Costigliole Asti entstehen derzeit Wohnungen für Gastautoren und ein ein Skulpturengarten des belgischen Künstlers Jan Vercruysse, das Schloss von Magliano Alfieri ist Schauplatz des Grinzane-Festivals, jenes von Cortanze dient dem internationalen Studentenaustausch.

Seit mehreren Jahren hat der Preis auch im Ausland Wurzeln geschlagen: in Havanna, Montevideo, Moskau, Paris vergibt die piemontesische Stiftung Preise und Stipendien, lädt Autoren nach Turin ein und präsentiert italienische Schriftsteller in Tokio. Sie bringt den kongolesischen Autor Mabiala Gangbo und seinen irakischen Kollegen Younis Tawfik zur Weinlese nach Grinzane und läßt sie über ihre Erfahrungen schreiben.

Asien im Visier

Als die Preisträgerin des Vorjahres Duong Thu Huong von der vietnamesischen Regierung an der Übernahme des Premio Grinzane gehindert wurde, riskierte der Stiftungspräsident Giuliano Soria einen diplomatischen Konflikt mit Hanoi. Dennoch hat er Asien fest im Visier. "Denken Sie an China, da gibt es unendlich viel zu tun", schwärmt der Linguistik-Professor. Dass sich seine Kulturstiftung mit ihren vielschichtigen Initiativen zwischen Prag und New York übernehmen könnte, scheint ihm eine abwegige Idee.

Nach der Sanierung des alten Palazzo Grinzane in Costigliole d'Asti hat die Stiftung dort auch ein Restaurant eröffnet. "Wir sind nach der Provinz Siena Italiens meistbesuchte Kulturlandschaft und Literatur und Gastronomie ergänzen sich vorzüglich - findet Soria. So kommt Ksenia Kuznetsowa letztlich doch noch zu ihren Trüffeln. "Hier ist alles so wunderbar" - schwärmt die Russin - "dass ich schon überlege, welche Erzählung von Fenoglio ich demnächst übersetzen soll." (Gerhard Mumelter)