Es ist dann ein Anbandeln und Leiden, ein Kuscheln und Sehnen - ob nun Puccini-, Massenet- oder Tschaikowsky- und Gounod-Töne in die Wiener Stadthalle zu senden sind, die mit 11.000 Besuchern eine auch für Popkonzerte nicht alltägliche Gemeindemenge beherbergt. Es ist eindeutig. Anna Netrebko und Rolando Villazón können miteinander. Fast vergisst man, dass es hier zwar nicht um eine Fusion zweier Firmen geht, aber doch um die Projektpartnerschaft zweier Klassikunternehmen, die ihr Kerngeschäft in Opernhäusern betreiben, zusammen allerdings ihre Zielgruppe beträchtlich ausweiten konnten.
Mussten die drei Tenöre Jahrzehnte investieren, bis sie begannen, in popartigen Konzerten mit nachlassender Vokalkraft das große Geld zu machen, ist diese Beziehung für die Massen die Folge eines maximal fünfjährigen tollen Belcantierens auf Opernbühnen. Spätestens seit der Salzburger Traviata 2005 ist ihrer Reichweite eine das normale Opernhausausmaß sprengende.
Bei solchen Dimensionen beeinflusst Quantität natürlich Qualität. Das wackere Orchester klingt so, wie Orchester zwischen Mörbisch, Bregenz und Schönbrunn klingen, wenn sie mikroverstärkt agieren. Blechern und stumpf, als wären sie Sendboten der guten alten Schellackzeit. Aber es ist ein gutes stumpfes Orchester, nur beim Leisen stört es etwas, wenn etwa Netrebko bei der Arie der Wally fragil klingt und sich dieser Eindruck durch das soundmäßig schmerzvoll hineinstochernde Orchester verstärkt.
Im Grunde aber ist das Ganze nicht würdelos. Es ist so solide und seriös, wie solche Konzerte nur sein können. Villazón ist präsent, sicher, intensiv, bei Sorozabals Romanze dehnt er eine Note, als wollte er dem Orchester eine Kaffeepause gönnen. Etwas Effekt muss sein. Er darf neben ihr nicht untergehen. Sie wiederum hat ihre Qualität in den samtigen, lyrischen Höhen, aber ihr liegt diese Popsituation etwas weniger, was man auch an ihrer Gestik merkt.
Aber immerhin: Das Repertoire weicht gewaltig von einem O sole mio-Greatest-Hits-Programm ab, wirkt regelrecht anspruchsvoll, wenn Netrebko ein Lied von Rachmaninow melancholisch ausbreitet. Nur bei den Zugaben, wenn es schon etwas mehr um den Charme des Ungefähren geht, wenn Portionen aus West Side Story und Traviata herausgebrüllt werden, da wird es plakativ und passt zum geschmacksunsicheren roten Sakko von Villazon.
Man könnte sich Sorgen machen, dass beide bald nur noch in Hallen singen. Aber das ist verfrüht. Sie, immerhin, will irgendwann die Lulu geben. Ein gutes Zeichen. Hoffentlich vergisst sie nicht, es zu setzen. Es wäre schade um eine gute Sängerin, die eine sehr gute werden könnte.
Es war nur der Anfang
Als Anna Netrebkos Karriere in Salzburg bei Don Giovanni 2002 explodierte und ab da von der Deutschen Grammophon (DG) verwaltet wurde, war jene von Rolando Villazón noch im Aufbau. Als profunder, witziger Tenor mit großem schauspielerischem Potenzial hat er sich allerdings spätestens seit der Traviata in Salzburg auch als Marke etabliert. Von der EMI wechselte er zur DG und wird in den kommenden Jahren als Netrebkos Partner vermarktet werden.