Rot-schwarze Konfrontation:

SP-Chef Alfred Gusenbauer und sein Generalsekretär Norbert Darabos versus...

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versus ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer und Parteichef Wolfgang Schüssel.

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Zuerst die Untersuchungsausschüsse, dann erst weitere Verhandlungen mit der SPÖ: Auf diese Linie legt sich nun die ÖVP fest. Damit dürfte es im alten Jahr keine neue Regierung mehr geben.

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Wien – Schlag zwölf Uhr Mittag trat Noch-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Sonntag in seiner Funktion als ÖVP-Obmann vor die Medien, um im Grunde seine Amtszeit als provisorischer Regierungschef noch eine Zeit lang zu verlängern. Denn der Chef der Volkspartei legte einen "Fahrplan" vor, der eine Rückkehr der ÖVP an den Verhandlungstisch mit der SPÖ wieder ermöglichen solle. Dieser Plan sieht so aus, dass, wenn überhaupt, dann sicher nicht mehr vor 2007 mit einer Neuaufnahme der rot-schwarzen Koalitionsgespräche zu rechnen ist. Also mehr als drei Monate nach der Nationalratswahl am 1. Oktober 2006.

„In die Luft gesprengt“

Schüssel und sein Klubchef Wilhelm Molterer deponierten „zu etwas ungewöhnlicher Zeit und zu einem ungewöhnlichen Thema“ (Schüssel) in der ÖVP-Parteizentrale die Absicht der ÖVP, so lange nicht mit der SPÖ weiterverhandeln zu wollen, bis die von der SPÖ mit den Grünen und der FPÖ gemeinsam beschlossenen Untersuchungsausschüsse über Eurofighterkauf und Banken sowie Finanzmarktaufsicht erledigt seien.

Aus VP-Sicht ist das bis Weihnachten „selbstverständlich machbar und sinnvoll“, meinte Molterer, der auch gleich eine Zeugenliste vorlegte. Dann könnten die rot-schwarzen Gespräche wieder aufgenommen werden – „und wenn die Ausschüsse ein, zwei Wochen in den Jänner hineinreichen sollten, soll es mir auch recht sein. Aber wer untersuchen will, kann dies tun. 30 bis 40 Sitzungen sind bis Weihnachten ohne Weiteres zustandezubringen“, sagte Schüssel. Man könne „ja jederzeit die Woche durcharbeiten. Ich kann schon morgen Auskunft geben.“

"Gezwungen, den Inhalt öffentlich zu machen"

Schüssels Auftritt speiste sich aus der aus seiner Sicht notwendigen Öffentlichmachung eines als vertraulich ausgemachten Gesprächs zwischen ihm und SP-Chef Alfred Gusenbauer, das zu Allerheiligen in der Wohnung von Bundespräsident Heinz Fischer stattgefunden hat. Er, Schüssel, sehe sich „heute gezwungen, den Inhalt des vertraulichen Gesprächs beim Bundespräsidenten öffentlich zu machen“, weil SPÖ-Chef Gusenbauer bereits einen Tag danach und am zweiten in einem Interview „einen möglichen Weg, den wir aufgezeigt haben, in die Luft gesprengt hat“, meinte ein empörter VP-Chef. Dieser Ausweg, der unter präsidialer Mediation erarbeitet worden sein solle, habe, erklärte Schüssel, „deutlich beschleunigte U-Ausschüsse“ vorgesehen, damit hätte das „Misstrauen abgebaut“ werden und danach „rasch und zügig“ zwischen ÖVP und SPÖ weiterverhandelt werden können.

Allerheiligen-Protokoll

Bundespräsident Fischer habe zu Allerheiligen gefragt: „Könnt ihr euch das vorstellen?“. Gusenbauers Antwort laut Schüssel: „Ich habe keine größeren Probleme damit.“ Schüssel selbst habe geantwortet: „Das geht, wenn ausgeschlossen ist, dass es keine weiteren Dreierbeschlüsse von SPÖ, Grünen und FPÖ gibt.“ Heinz Fischer habe „Verständnis“ gezeigt. Dann aber, so Schüssels Darstellung, „ist der geschützte Raum von Gusenbauer einseitig verlassen worden“.

Den Unmut der ÖVP hatte ein Gusenbauer-Interview in den Salzburger Nachrichten ausgelöst, in dem der SP-Chef gesagt hatte: „Die ÖVP geht von der Theorie aus, dass erst dann wieder verhandelt werde, wenn die Arbeit der Untersuchungsausschüsse beendet sei. Das halte ich für einen inakzeptablen Zugang.“

Die ÖVP wiederum hielt dieses Interview für einen inakzeptablen Ausgang aus der Geheimhaltung und ging am Sonntag in die Offensive.

Zwischen Verärgerung und Resignation

In der SPÖ reagierte man hin- und hergerissen zwischen Verärgerung und Resignation. Er frage sich, warum der Bundeskanzler „die Sonntagsruhe der Österreicher mit einer Verlautbarung“ störe, die wirklich nicht neu sei, ätzte Klubobmann Josef Cap. Er lehnte eine Beschleunigung der U-Ausschüsse umgehend ab, die Ansagen Schüssels und Molterers seien „eine inszenierte Suche nach Ausreden, um mit der SPÖ keine Regierungsverhandlungen führen zu müssen“. Im Übrigen sehe er, Cap, im Ansinnen der ÖVP einen „Anschlag auf die Kontrollrechte des Parlaments“. Es gebe überhaupt keinen Grund, nicht parallel zum U-Ausschuss über die Bildung einer Regierung zu verhandeln.

Dementi der SPÖ

Zugleich dementierte die SPÖ, dass im Gespräch mit Bundespräsident Fischer eine Beschleunigung der Ausschüsse besprochen worden sei. Aus der Präsidentschaftskanzlei wurde mitgeteilt, dass sich Fischer an die vereinbarte Vertraulichkeit halte und keine Aussage machen wolle. Auch das sei „eine vertrauensbildende Maßnahme“, betonte Fischers Sprecher Bruno Aigner in Anspielungen auf die Forderungen der ÖVP.

Bei der heute, Montag, stattfindenden Sitzung des Parteipräsidiums dürfte die SPÖ die neuen Vorgaben der ÖVP durchaus kontroversiell diskutieren. Vor allem in den Bundesländern hält sich die Lust auf weiteres Zuwarten in Grenzen. Nachdem vergangene Woche schon der steirische SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der ÖVP auf Landesebene angedroht hatte, setzt jetzt seine Salzburger Kollegin Gabi Burgstaller nach.

Burgstaller: "Letzte Aufforderung"

Sie kann sich vorstellen, eine „letzte Aufforderung“ zur Kooperation an die ÖVP zu richten: „Sonst fällt der ÖVP übermorgen wieder etwas Neues ein, warum sie nicht verhandeln will.“ Burgstaller will im Präsidium die Frage aufwerfen, „wie lange das noch so weitergehen kann“.

Es sei auch eine „Geringschätzung“ der Bevölkerung gegenüber, „sie wählen zu lassen und dann monatelang keine Regierung zu bilden“. Das Verhalten der ÖVP wertete Burgstaller entweder als Versuch, sich an der Macht zu halten, oder als „völlige Verkennung des Wahlergebnisses“, das eine Kurskorrektur nahe gelegt habe. Es sei "völlig absurd", nach einem "klaren Wahlergebnis so weitermachen zu wollen wie bisher". Der Kurs Schüssels und Molterers sei auch in der ÖVP schwer umstritten, ist Burgstaller überzeugt. (Von Samo Kobenter und Lisa Nimmervoll, STANDARD, Printausgabe 6.11.2006)