Billig tanken beim österreichischen Nachbarn erwärmt das deutsche Gemüt. Sprit-Tourist Heribert Klöbl aus Passau steht trotz eisiger Novemberkälte seinen Tankwart.

Foto: STANDARD/Rohrhofer

Ist der Autotank voll, findet sich in dem mitgebrachten Kanister immer noch Platz für österreichischen "Billig-Sprit". Schließlich gilt es ja meist die ganze Tank-Touristenverwandtschaft zu beliefern.

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Der Tanktourismus boomt. Vor allem unsere deutschen Nachbarn zapfen gerne fremd und beleben dadurch die heimische Wirtschaft in beachtlichem Ausmaß. Ein Lokalaugenschein an der "Ösi-Tanke" in Achleiten bei Passau bestätigt den Trend zum schnellen Sprit-Besuch.

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Achleiten - "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung", schmunzelt Herbert Maier während er im Kofferraum seines Autos eiligst nach entsprechendem Baumwollschutz sucht. Sekunden später ist die Lappenhaube übergezogen, die Wollhandschuhe sitzen und die dicke Daunenjacke wärmt. "Jo mei, es is fei grauslig heit", hadert der 60-jährige Passauer mit dem eiskalten Novemberwind während er zwei 30-Liter-Kanister aus dem Fond seines silbernen Audis hervorzaubert.

Was folgt, ist oft gelebte Routine: Zapfsäule in Betrieb nehmen, zuerst das Auto voll tanken, inzwischen mit beachtlicher Geschwindigkeit beide Kanister gleichzeitig aufschrauben, fliegender Zapfhahn-Wechsel vom Autotank zum Kanister. Die Formel 1 hätte mit einem Maier'schen Tankstopp wahrscheinlich die helle Freude.

Täglich tausend Tanktouristen

Der Pensionist ist einer von rund 1000 deutschen Tanktouristen, die täglich die BP-Tankstelle im österreichischen Achleiten besuchen. Besonders für die Passauer liegt die Tankstelle günstig. Gerade einmal drei Autominuten braucht es, um aus deutscher Sicht in Österreich geldbörslschonend tanken zu können. Vor rund drei Jahren musste das ehemalige Zollamtsgebäude den Zapfsäulen weichen. Seitdem läuft das Geschäft mit den deutschen Nachbarn.

Bereits am frühen Vormittag stauen sich unzählige Autofahrer zum gelb-grünen Spritversorger. "Ich bin doch nicht blöd, warum bitte soll ich bei einer deutschen Tankstelle für einen Liter Super manchmal bis zu 20 Cent mehr zahlen als in Österreich", rechtfertigt Heribert Klöbl (siehe Foto oben) seine regelmäßigen Mineralöl-Grenzübertritte. 80 Prozent der Passauer würden regelmäßig in Österreich tanken, weiß Klöbl. Tank-Kollegin Elfriede Lippl nickt zustimmend an der Nachbarzapfsäule. "Wir verbinden das Tanken hier immer entweder mit einem Familienausflug oder einer Shoppingtour", erzählt die 47-Jährige während sie die Kanister für Bruder, Schwager und Nachbarin abfüllt. "Man muss halt schon beim Verstauen der Einkäufe schauen, dass man im Kofferraum ordentlich Platz für die Kanister lässt", plaudert die Passauerin aus ihrem Tankalltag.

Fremdzapfer verärgern

Im (warmen) Tankstellenshop reibt sich Pächter Reinhold Klaffenböck zufrieden die Hände. Das Geschäft läuft auch am Allerseelentag prächtig. "90 Prozent meiner Kunden kommen aus dem Passauer Raum", erzählt Klaffenböck, der seine "Tanke" 24 Stunden offen hält. Dass das Geschäft floriert, zeigt auch die rege Bautätigkeit an der Tankstelle. "Wir erweitern um zusätzliche vier Zapfsäulen", ist der Pächter zufrieden.

Des einen Freud ist auch beim Tanken offensichtlich des anderen Leid. Mit der Stadt Passau liegt Reinhold Klaffenböck über Kreuz. "Oberbürgermeister Albert Zankl hat was gegen uns. Immer wieder gibt es Boykott-Aktionen, vor zwei Jahren hat er sogar die Straße zu meiner Tankstelle mit Bierbänken für einen ganzen Tag absperren lassen", ärgert sich Klaffenböck. Bei der Stadt selber rechtfertigt man sich, dass man nichts gegen die Tankstelle habe und schon "gar nichts gegen Österreich". Problematisch sei nur das erhöhte Verkehrsaufkommen in der Innenstadt. "Es führt nur ein Weg zur Tankstelle und der geht mitten durch Passau. Die Belastungen für die Anrainer sind enorm", so Stadt-Sprecher Herbert Zillinger. Wo er denn tanke? "Das tut nichts zur Sache", so Zillinger knapp.

Dass der Tanktourismus nach Österreich boomt, bestätigen auch Experten. "Gerade in Westösterreich ist der Tanktourismus beachtlich. 20 Prozent des Gesamtverbrauchs fallen dem Tanktourismus zu", erläutert Christoph Capek vom Fachverband des Mineralöl- und Brennstoffhandels. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5.11.2006)