Angehörige der "Border Patrol" kontrollieren in der Grenzstadt Nogales im südlichen Arizona die Papiere von illegalen Einwanderern aus Mexiko.

Foto: DER STANDARD/Christoph Winder
Im klassischen Einwanderungsland USA wird im Wahljahr 2006 intensiv über das Thema Immigration debattiert. Manche Wahlkämpfer versuchen damit, auch ihr ganz spezielles politisches Süppchen zu kochen

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Der amerikanische Peter Westenthaler heißt nicht Peter Westenthaler, sondern Pat Buchanan. Rechtzeitig vor den Kongresswahlen 2006 hat der "paläokonservative" Republikaner ein Buch publiziert, dessen alarmierender Titel ("Notstand - Die Invasion und Eroberung Amerikas durch die Dritte Welt") den baldigen Untergang des US-Imperiums prognostiziert. Auf 308 Seiten listet Buchanan darin auf, wie die von außen her anstürmenden Immigrantenhorden angeblich nicht nur Krankheiten und Kriminalität verbreiteten, sondern auch die amerikanische Lebensart von Grund auf zerstören würden.

Die 38.291 Fälle von (häufig therapieresistenter) Tuberkulose, die in Kalifornien dokumentiert wurden? Sie beträfen in erster Linie illegale Immigranten. Aber auch Syphilis, Gonorrhoe und Bettwanzen (mittlerweile in 28 Bundesstaaten verbreitet) seien von ihnen ins Land gebracht worden. Im Jahr 2050, orakelt Buchanan, wird "Kalifornien an Mexiko zurückgefallen sein" - doch schon jetzt sei Kalifornien"zu einem Dritt-Welt-Staat , zu "Mexifornia" geworden.

Masterplan

Alles kein Zufall, meint Buchanan, sondern ein politischer Masterplan. Die Mexikaner hätten es nie verdaut, dass ihnen die Amerikaner im 19 Jhd. Texas abgeknöpft haben , weswegen sie nun aus "Groll gegen den Gringo" eine klammheimliche Rekonquista des Nordens betreiben würden.

In ihrer Radikalität tragen Buchanans Ansichten im US-Wahljahr 2006 zwar durchaus noch extravaganten Charakter. Doch auf der anderen Seite ist es offenkundig, dass das klassische Einwanderungsland USA wieder eine seiner peridisch auftretenden Immigrationskrisen durchläuft. Ein Indikator hierfür sind die monatelangen Diskussionen über die Abwehr mexikanischer Wirtschaftsflüchtlinge an der südlichen Grenze des Landes, die seit 2001 eine ungesunde Mischung mit dem Thema "Krieg gegen den Terror" eingegangen sind (in Arizona kontrolliert die staatliche "Border Patrol" nicht nur "illegal aliens" sondern überprüft auch nebenher, ob sie nicht etwa radioaktive Materialien ins Land schmuggeln).

Für Tom Tancredo , einen republikanischen Kongressabgeordneten aus Colorado, der es mit seiner superscharfen Haltung gegen illegale Einwanderer zu landesweiter Bekanntheit gebracht hat, sind einige der zwischen Mexiko und den USA verlaufenden Autobahnen zu regelrechten "Terrorist Alleys" geworden, über sich Tag für Tag Übeltäter aller Art in die USA einschleichen.

Dass bisher noch keine Fälle von mexikanischen Terroristen bekannt geworden sind, die in den USA Schaden gestiftet hätten, scheint Leute wie Tancredo nicht zu stören. Das Zentralorgan der US-Linken, The Nation sieht derzeit einen "neuen Nativismus" am Walten , wie es ihn in den USA immer wieder einmal gegeben hat, wenn in ökonomisch oder politisch harten Zeiten der Unmut gegen einzelne Bevölkerungsgruppen wuchs.

Hispanics lösen Ängste aus

Diesmal sind es die demographisch immer stärker werdenden Hispanics, welche Ängste auslösen. Vor zwei Jahren warnte der Politologe Samuel Huntington in seinem Buch "Who are we" vor der Gefahr, welche das Überhandnehmen des hispanischen Einflusses für die anglosächsiche Wertebasis der Nation darstelle. Ein Vorwurf, der häufig ertönt, ist der, dass die Hispanics im Gegensatz zu früheren Einwanderergruppen assimilationsunwillig seien und sich weigerten, die englische Sprache zu erlernen.

"Das ist eine jener Geschichten, die ich einfach nicht glaube", meint dazu die Wirtschaftswissenschaftlerin und Migrationsspezialistin Judith Gans von der Universität Tucson im Gespräch mit dem Standard. "Es gibt zwar Belege dafür, dass sich die Hispanics die englische Sprache in einem geringeren Ausmaß aneignen als andere Einwanderergruppen. Das trifft vor allem für die älteren Arbeitnehmer zu, welche allein mit ihrer Erwerbstätigkeit so unter Druck stehen, dass sie sich nicht um zehn Uhr abends noch hinsetzen, um Vokabeln zu lernen.

Doch auf lange Sicht sind die ökonomischen Vorteile, die das Erlernen des Englischen mit sich bringt, so enorm, dass sie zur sprachlichen Assimilation führen werden. Selbst bei den am wenigsten geschulten Arbeitern kann man das feststellen." (Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 3. November 2006)