Anno 2000 landeten viele Akten aus einst roten Ministerien noch in der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig und beim Altpapierspezialisten Bunzl & Biach.

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Akten einpacken fürs Archiv oder doch lieber in den Papiervernichter stecken? Diese schwierige Frage stellt sich derzeit für die Minister nicht zum ersten Mal. Bereits eine Woche nach der Wahl waren alle Minister gewappnet für den schnellen Auszug – inklusive Kartons für ihre Korrespondenzen. Als die Wahlkartenauszählung ergab, dass das BZÖ doch im Parlament verbleibt und Rot-Grün somit keine Mehrheit bekommt, konnten die Mitarbeiter in den Ministerbüros aufatmen.

Seitdem müssen alle Regierungsmitglieder sich und ihr Bürozeug auf Abruf bereithalten. In der ÖVP glauben nämlich viele nach wie vor, dass SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer Verhandlungspartner Schüssel mit einer Minderheitsregierung überrascht. Dann hieße es: Büro räumen, und zwar rasch. Für abgehende Minister gibt es keine Gnadenfrist, der Nachfolger steht sofort nach der Angelobung vor der Tür.

Hektische Szenen beim Wechsel

Im Jahr 2000, als es das letzte Mal zu einem Machtwechsel kam, führte das vor allem in den roten Hochburgen wie dem Sozialministerium und dem Kanzleramt zu hektischen Szenen. Dutzende prallgefüllte Säcke mit roten Nachlässen landeten in der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig. Festplatten wurden gelöscht, Dossiers verhexelt, im Kanzleramt sogar Telefone abmontiert – so zumindest rapportierten es die entsetzten Nachfolger. Dabei: Wegwerfen darf ein Minister seine Akten nicht.

Das Bundesarchivgesetz, das im Jahr 1999 beschlossen wurde, schreibt vor, dass das „Schriftgut, das nicht beim Nachfolger verbleiben soll, unverzüglich nach dem Ausscheiden aus der Funktion dem Österreichischen Staatsarchiv zu übergeben“ ist. Alle Minister wurden daran schon vor Wochen schriftlich erinnert. Persönliche Aufzeichnungen dürfen sie mitnehmen.

ÖVP-Finanzstaatssekretär Alfred Finz war einer der ersten, der sich ans Packen machte. Er kann sich sicher sein, einer nächsten Regierung nicht mehr anzugehören. Korrekt, wie er ist, ließ er im Staatsarchiv sogar anfragen, welche Schachteln er für sein Amtsvermächtnis wählen soll. Die Antwort: Egal.

Keine Vorschriften

Vorgeschriebene Kartons oder Kisten fürs Archiv gibt es nämlich nicht, nur versiegelt müssen sie sein. Auch der Begriff „Schriftgut“ ist dehnbar. In Zeiten der elektronischen Akten und Mails macht es wohl Sinn, statt Papierstapel gleich die Festplatte ins Archiv zu schicken – vorausgesetzt, sie ist in 25 Jahren noch zu dechiffrieren.

So lange liegen die Ministernachlässe nämlich per Gesetz unter Verschluss. Im Archiv der Republik gibt es dafür im Kellergeschoß einen eigenen „Sperrspeicher“, zu dem nur der Archiv-Direktor Zutritt hat.

Wer dort seine Kabinettsakten bereits abgeliefert hat? Unter anderem die Ex-Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima sowie, aus der Epoche Schwarz-Blau, FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. (Barbara Tóth, DER STANDARD, Printausgabe, 3. November 2006)