Es ist, am Ende eines langen Gesprächs, das erste Mal, dass Maddalena Ciociola
selbst ein wenig melancholisch wirkt. Bis dahin war alles bestens. Sie kann es
naturgemäß auswendig: dass die Italiener seit Jahrzehnten den harten Kern der
Gäste ausmachen; dass sie von immer mehr Deutschen, Franzosen, Briten
flankiert werden; dass die Amerikaner nach dem 11. September zwar weniger
zahlreich sind, dafür die neuen Russen langsam zunehmen und nun schon fast
acht Prozent ausmachen; dass insgesamt die Zahlen stimmen - insbesondere
wenn man darunter versteht, dass genügend Besucher bereit sind, etwa für die
Presidential Suite im Hotel Cala di Volpe 22.000 Euro pro Nacht zu
zahlen.
Parkplatz für Yachten
Während sie die Erfolgsgeschichte der Küste im Allgemeinen und der fünf
Starwood-Luxusherbergen im Speziellen aufzählt, besuchen wir ebendiese kurz -
vom Cala di Volpe, einem der ersten Bauten hier überhaupt, flach an einer Bucht
gelegen, in der die Gäste ihre Yachten parken können, bis zum Pitrizza, einer
Ansammlung von Bungalows. Flitterwöchner seien eine gefragte Zielgruppe. Was
zählt, sei die ungestörte Privatsphäre.
"La privacy" ist ein gerade an der sardischen Luxusküste beliebtes Fremdwort im
Italienischen. Daneben ist oft von "la security" die Rede - allerdings weniger laut.
Dass die Ungestörtheit hier mit privaten Wachdiensten, raffinierten Alarmanlagen
und auffällig unauffälligen Kontrollen erkauft wird, das weiß man zwar und merkt
es auch daran, dass sich neben den Boutiquen der globalen Marken ein nicht viel
kleinerer Laden mit elektronischer Alarmausrüstung etabliert hat. Doch macht
man nicht viele Worte. Hat Signorina Ciociola von Einbrüchen und Raubzügen
gehört? Nun ja, aber das sei die Ausnahme. "Letztes Jahr gab es einen Fall. Aber
man hat die Einbrecher schnell gefasst. Es waren Leute aus dem Osten, die hier
ihr Glück machen wollten", sagt sie und lacht. "Keine Profis."
Das Märchen Costa Smeralda
Wenn man über die sanft durch Macchia und Felsen führende Straße chauffiert
wird und der Blick auf das Meer fällt, dessen Farbe der Küste ihren völlig richtigen
Namen gegeben hat, und wenn das Azur darüber zu den ockerfarbenen Hügeln
passt, dann fällt einem ein, was über die Costa Smeralda gerne verbreitet wird:
Sie sei ein Märchen.
Zumindest hat sie Elemente, die gute Märchengeschichten ausmachen: Da gibt es wagemutige Ritter, die um einen Platz an der Sonne kämpfen; es gibt Hindernisse, die sich einer Eroberung entgegenstellen, die Boten guter und weniger guter Nachrichten, und vor allem gibt es einen Dornröschenschlaf und einen Prinzen.
Karim Aga Khan war bzw. ist noch immer der Prinz, mit dem die Geschichte der Küste begonnen hat. Ob er sie allerdings wachgeküsst oder ihr nicht vielmehr Leid angetan hat, ob er wirklich nur Erholung gesucht oder von Anfang an als Sprecher einer kleinen, feinen Investorengruppe agiert hat, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass auf den rund 50 Quadratkilometern im
Nordosten Sardiniens bis in die Fünfziger des 20. Jahrhunderts lediglich Hirten
dem kargen Land etwas Leben abtrotzten. Es reichte gerade für ein paar Dutzend
Familien, von denen die meisten froh waren, dass ihnen "il principe" ihr Land um
Summen abkaufte, von denen sie noch nie auch nur geträumt hatten.
Eine exklusive Bühne
Das Meer, bisher feindliches und gemiedenes Element, verwandelte sich bald zur
Ferienbühne für die, die sich's leisten konnten. Die Investition war klug und
weitsichtig. Die Wege vom Hafen und Flughafen in Olbia bis in die letzte Bucht
waren bald gebaut. In der Mitte wurde mit Porto Cervo ein Kunstdorf im
verschachtelt maurisch-mediterranen Stil aus dem Boden gestampft. Der Hafen
des Ortes gilt heute, nach Verdreifachung seiner Kapazität, als größter
Yachthafen Südeuropas.
Es folgte die goldene Ära. In den Worten des sardischen Kulturforschers Bachisio Bandinu "entstand auf dem Boden einer prämerkantilen Hirtengesellschaft eine spätkapitalistische Bühne des Vergnügens, ... ein großer Apparat, der das Fest erschafft. Er soll den Fantasien der Besucher ein physisches und symbolisches Territorium geben."
Die Zeiten änderten sich rasch an der Costa. Wo viel Geld ist, herrscht viel Gedränge, und mancher wird verdrängt. Widersprüchliche Interessen rangen um Erschließung bzw. um Exklusivität. Einerseits wurden die Preise hoch gehalten, dafür wurden die Grundstücke auf den Hügeln fast restlos verkauft. Die Käufer allerdings mussten sich verpflichten, niedrig und regelkonform zu bauen, das heißt ockerfarben und irgendwie nostalgisch-mediterran.
Aus dem Ringen um die lukrativen Immobilien ging der Amerikaner Tom Barrack siegreich hervor. Um 400 Millionen Dollar hat er die Hotels und das halbe Land gekauft. Der Statthalter seines Konsortiums, der Anwalt Renzo Persico, beschreibt Barrack als idealen Herrn über die Costa, weil er dank seiner libanesischen Vorfahren europäische Sensibilität und Liebe zum Mittelmeer habe. Das erkläre auch die ökologischen Auflagen, die er gerne übernommen habe.
Kritischere Stimmen sehen eher den Vorteil für Barrack, weil nach seinem Erwerb der Starwood-Kette kaum mehr gebaut werden darf. Und dass er auf diese Weise den leidigen Streit mit dem Gouverneur der Insel, Renato Soru, wie viele Kilometer landeinwärts welche Baustopps gelten, endlich beenden könnte.
Uns Besuchern mag es recht sein. Wir spüren, dass Porto Cervo und Umgebung schon in der Nebensaison nah an den Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit ist - gerade dann, wenn Busladungen von weniger begüterten Touristen auch ein wenig Dolce Vita schnuppern wollen. Sie sehen dann zwar keine Stars - die schlafen noch auf den Yachten -, bestaunen dafür die Preise in den Boutiquen und Terrassencafés.