Christian Candid gilt als fünftes Mitglied der heimischen Sofa Surfers – und als Logistiker von Klein Records.

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Wien – Noch 16 Veröffentlichungen, dann ist der Katalog von Klein Records im dreistelligen Bereich angelangt. Für das heimischen Independent-Label, das am Wochenende mit einer großen Party in der Wiener Arena sein zehnjähriges Bestehen feiert, bedeutet das neben einem weiteren Jubiläum auch weiterhin gänzlich unsexy Verwaltungsarbeit. Denn ein Independent-Label mit drei Mitarbeitern zu führen, bedeutet nicht Pop-Jetset, sondern hauptsächlich Excel-Dateien überarbeiten, Verträge erstellen, Logistik, Promotion und Vertrieb.

Glamouröses Pop-Life, das kennt Christian Candid punktuell trotzdem: Als die Sofa Surfers, das stärkste Pferd im kleinen Stall, in den 1990ern mit ihren elektronischen Sounds als Bandprojekt europaweit für Aufsehen sorgten, da sei man in London tatsächlich von der Stretchlimo abgeholt worden, habe in Suiten residiert und sich bei MTV mit Stars wie Sophie Ellis-Baxtor die Bühne geteilt. Candid, der so etwas wie der fünfte Surfer ist, war natürlich dabei. Gegründet wurde das programmatisch betitelte Label mit dem netten kleinen Männchen als Logo zur Hochzeit des so genannten Vienna Hypes. Also zu jener Zeit, als sich die internationale Musikpresse wegen der Veröffentlichungen von Patrick Pulsinger und Erdem Tunakan (Cheap Records), Kruder und Dorfmeister (G-Stone Records) oder denen des experimentellen Labels Mego auf die Wien stürzten und das bislang weit gehende jungfräuliche Popland Österreich, in dem diese Leute in kleinen Szenen vor sich hin produzierten, plötzlich für die Welt "entdeckten".

Im Vergleich zu den genannten Labels legte Candid Klein von Beginn an anders an: "Ich komme aus dem Independent-Pop-Bereich, wo ich zuvor schon DJ und Veranstalter war. Das war meine Prägung. Darum war es mir wichtig, kein rein elektronisches Label zu sein, sondern ein Bein im Pop zu haben."

Dementsprechend war die zweite Veröffentlichung nach einer ersten Sofa-Surfers-Maxi eine Doppelsingle von Robert Rotifer, bekannt als musizierender London-Außenstelle von FM4. Heute zählen neben den im sechsstelligen Bereich verkaufenden Sofa Surfers international bekannte Namen wie die Ausnahmevokalisten Bauchklang, Seelenluft, Louie Austen, Mummer, Coloma sowie Soloprojekte der Sofa Surfers wie I-Wolf oder Markus Kienzl zu den wichtigsten Klein-Acts.

Nach dem frühen Hoch zog der Labelalltag mit seiner Routine in einem tendenziell verunsicherten und launischen Markt ein. Als vor einigen Jahren ein großer deutscher Vertriebspartner Pleite ging, war das für Klein Records existenzbedrohend. Candid: "Zum Glück hatten wir andere, verlässliche Partner, die uns beigestanden sind und auch unsere Reputation war da wohl hilfreich."

Bis zu 30.000 Stück

Immerhin verkaufen Klein-Acts zwischen zwei- und dreißigtausend Einheiten pro Veröffentlichung. Manche "leider auch weniger", gesteht Candid ein, der sich in seinem Büro im siebten Wiener Gemeindebezirk Woche für Woche durch Stapel von Demo-Bändern hört, die er zugesandt bekommt. Auch das Rock-Revival vor rund fünf Jahren bedeutete eine Neuorientierung für das eher Club-affine Label. Candid: "Hier kam uns zugute, dass wir breiter aufgestellt waren als andere, eine einzige Nische bespielende Labels. Und auch, dass Bands wie die Sofa Surfers nicht stehen geblieben sind, sondern sich weiterentwickelt haben."

Wie geht es einem kleinen Musikverlag eigentlich mit dem Internet-Musikgeschäft? Candid: "Wir sind mittlerweile auf allen relevanten Downloadplattformen vertreten und generieren rund zehn Prozent unseres Umsatzes aus diesem Geschäft. Hier hat sich tatsächlich einiges verändert. Selbst in den Clubs legen heute viele DJs nicht nur Schallplatten auf, das lange einzig gültige DJ-Medium, sondern arbeiten zunehmend mit dem Laptop."

Kontaktscheu zu den Großen ist der zappelige 32-Jährige ebenfalls nicht. Immer wieder kommt es punktuell zur Zusammenarbeit mit Majorfirmen, die bekanntlich auch kleinere Brötchen backen. Anfang 2007 soll noch der bei Labeljubiläen obligatorische Sampler erscheinen, bis dahin ist die Klein-Familie mit verschiedenen Acts auf Jubiläumstour im In- und Ausland. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.11.2006)