Wien – Die nächste Sitzung des Rückgabebeirats wurde für den 8. November anberaumt. Seit der letzten, Ende März, ist daher mehr als ein halbes Jahr vergangen: Werner Fürnsinn, der Leiter der Kommission für Provenienzfoschung, hat bereits mehr als 20 Dossiers zur Entscheidung übergeben.

Erneut behandelt werden soll der Fall Mahler-Werfel. Es geht um das Gemälde Sommernacht am Strand von Edvard Munch, das sich seit 1940 in der Österreichischen Galerie befindet. Der Beirat hatte 1999 eine Rückgabe mit Verweis auf ein negatives Erkenntnis der Rückstellungskommission 1953 abgelehnt. Marina Mahler, Enkelin von Alma Mahler, unternahm aber im Februar aufgrund einer Änderung der Rechtslage einen neuen Vorstoß.

Eine Entscheidung wird auch im Fall Gotthilf erwartet. Die Erben nach Ernst Gotthilf, einem jüdischen Architekten, der u.a. das CA-Hauptgebäude am Schottenring errichtet hat, stellen Anspruch auf das Mädchen mit dem Strohhut von Friedrich Amerling.

Noch nicht behandelt werden kann aufgrund der komplexen Erbengemeinschaft der Fall Eissler/Morelli, der als einer der größten noch nicht entschiedenen gilt. Es geht u.a. um sieben Bilder von Ferdinand Georg Waldmüller aus der Österreichischen Galerie und das Galasso Galassi zugeschriebene Gemälde Christus am Ölberg aus dem Kunsthistorischen Museum.

Die Kunstwerke stammen aus der bedeutenden Sammlung des Wiener Großindustriellen Hermann Eissler, die im Oktober 1938 zwar „sichergestellt“, aber an Ort und Stelle belassen wurde. Um dem NS-Regime den Zugriff zu verunmöglichen, übertrug Eissler Teile der Sammlung seiner Tochter Berta und seiner jungen Frau Hortense, die sich 1939 pro forma scheiden ließ, nachdem der Versuch, mit ihrem Mann nach Nicaragua zu fliehen, gescheitert war. Und Berta heiratete nach der Scheidung den ungarischen Rechtsanwalt Josef Karl Morelli.

Das NS-Regime wollte die Sammlung trotzdem für das geplante Führermuseum in Linz "erwerben" – und setzte die Frauen unter Druck. Die beiden kämpften entschlossen, mussten aber doch nachgeben. Provenienzforscherin Sophie Lillie spricht von "erpresstem Verkauf". Dennoch verliefen die Rückstellungsbemühungen nach 1945 negativ: Die Bilder kamen als "Verfallsgut" in die Bundesmuseen... (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.11.2006)