. . . und das leidige Budgetproblem: Für Christa Schlager tun sich hinter den geplanten familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung ideologische Abgründe auf: Erwiderung auf einen Kommentar von Andreas Dobersberger (15. 6.). Wolfgang Schüssel (VP), Andreas Dobersberger (Katholischer Familienverband) und Elisabeth Sickl (FP) sind sich in einem Punkt einig: Familienleistungen stellen keine Sozialleistungen (mehr) dar, die Transfers erfolgen um der "Gerechtigkeit" willen. Und was ist "sozial gerecht"? "Alles, was Kindern dient", sagt Schüssel. Und da für Kinder niemals genug getan werden kann, gilt auch jede Kritik an der derzeitigen Familienpolitik fast als Frevel. Dennoch: Könnte es nicht sein, dass hinter diesem vorgeblichen Anliegen konservativer Kreise ganz andere Ziele stecken? Erstes Indiz: Sozialpolitik wird in der laufenden Debatte zunehmend als Hindernis zur Erreichung internationaler Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Die geplanten "Reformen" sollen Budgets entlasten und die Standortattraktivität erhöhen. Die Familienpolitik wird dabei sozusagen aus der Schusslinie genommen. Da passt es auch gut ins Bild, wenn Dobersberger erklärt, dass der Familienlastenausgleichsfonds, nur weil er eine Zweckbindung hat, nicht Teil des Budgets ist. (In Österreich ist rund ein Drittel der Abgaben des Bundes zweckgebunden!) Zweitens: Familientransfers werden laut Schüssel als "Investition" gesehen: Die Familie soll im Zeitalter des erodierenden Sozialstaates "Solidarität und Wärme" geben, das heißt, die soziale Betreuungsfunktion voll übernehmen, die nebstbei naturgemäß (?) primär von Frauen geleistet werden sollen (nachzulesen im Regierungsprogramm, Unterpunkt Frauen und Arbeitsmarkt). Simplifizierung Drittens: Es häufen sich die Stereotypen im konservativen Diskurs. Zitat Schüssel: "Die Familie mit zwei Elternteilen und zwei und mehr Kindern ist die bei weitem überwiegende Wirklichkeit, wie Kinder in diesem Land Familie erleben! Familienpolitik soll daher diese Familien ganz besonders zum Ziel haben." Erwerbstätige Mütter werden so gegen nichterwerbstätige ausgespielt, diejenigen, die angeblich ganz in ihrer Mutterrolle aufgehen, gegen die, die lieber ganztags hinter der Kassa eines Supermarktes sitzen, wie Dobersberger schreibt. Die Lebenswirklichkeiten von Familien sind jedoch mittlerweile viel komplexer und vielfältiger. Und Aufgabe der Politik wäre es, diese Komplexität wahrnehmen und ihr Handeln danach auszurichten, statt gesellschaftliche Probleme einfach zu privatisieren. Vielleicht ließe sich die viel zitierte "Gerechtigkeit" aber auch so interpretieren, dass es darum geht, einem Anliegen "gerecht" zu werden. Bezogen auf die Familienförderung müsste dann allerdings gesagt werden, dass in Österreich vor allem Alleinerzieherinnen, Vielkindfamilien oder von Arbeitslosigkeit betroffene Haushalte armutsgefährdet sind. Die wirksamste Waffe gegen Familienarmut stellt daher hohe Erwerbstätigkeit und die gleichwertige Entlohnung von Frauen dar - wie auch internationale Vergleiche belegen: Dänemark etwa hat die höchste Frauenerwerbsquote der EU mit rund 75 Prozent, Alleinerzieherinnen und Vielkindfamilien sind dort europaweit finanziell am besten abgesichert. Zugleich hatte Dänemark 1998 eine Geburtenrate, die 28 Prozent über der Österreichs lag, während katholische Länder wie Italien und Spanien bei Frauenerwerbstätigkeit und Geburtenrate Schlusslichter bildeten. Es ist also kein Zufall, dass rund um die Familiengelder ideologische Auseinandersetzungen entstanden sind. Denn alle Anzeichen sprechen dafür, dass es in der derzeitigen Familienpolitik nicht um die Wahrung der Vielfalt von Lebensentwürfen geht, sondern um die (Wieder-)Herstellung traditioneller Weltbilder. Christa Schlager ist Mitarbeiterin in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der Arbeiterkammer Wien.