Allerseelentag. Ein Friedhof in der österreichischen Provinz. Vor einem der Gräber ein Ehepaar um die siebzig.

SIE (nach längerem Schweigen): Erika hätte da hergehört.

ER (entsetzt): Irma! Sag' nicht so was! Auch wenn die Erika manchmal -

SIE: Nicht die Erika. Erika. Die Stiefmütterchen sind verblüht, und Chrysanthemen, ich weiß nicht... Ich finde Chrysanthemen geschmacklos. Alles Erika hätte da hergehört, das haltet, und mittendrin unser Gesteck.

ER: Das hast du wieder sehr schön gemacht.

SIE: Ich versteh' auch nicht, warum man sowas im Laden kaufen muss. Die Natur schenkt einem so viel. Ein Geschick gehört halt dazu, vor allem ein Wille.

ER: Kaufen ist eben bequemer. Du kennst die Erika. (Pause. Er lässt seinen Blick über die Nachbargräber schweifen.

ER: Das Zirnwaldgrab ist wieder sehr elegant.

SIE (ohne hinzusehen): Das sind Angeber. Schon dieser Engel...

ER: Das ist eine Muttergottes.

SIE: Da siehst du's. So modern, dass man's nicht auseinanderkennt. Ich möchte wissen, zu was die überhaupt ein Grab brauchen. Haben ja kaum Tote, und wenn, verbrennen sies's. Aber überall dabei sein.

ER (um abzulenken): Vierunddreißig Jahr' ist es jetzt schon wieder her, dass deine Mutter gestorben ist.

SIE: Viel zu früh, ja. Der Vater auch. Viel zu früh.

ER: Einundvierzig Jahr'...

SIE: Könnten beide noch leben...

ER: Naja... Er wäre jetzt hundertdreißig.

SIE (während sie niederkniet): Kein Alter heutzutage. (Sie beginnt, Unkraut auszuzupfen. Grimmig:) Erika hätte da hergehört. (Vorhang)

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10./1.11. 2006)