Budapest - Die "innenpolitische Schlacht" Ungarns werden nun bereits in der Europäischen Union weitergeführt, berichten ungarischen Medien am Freitag. Dem Chef der rechtskonservativen Oppositionspartei Fidesz-Ungarischer Bürgerverband, Viktor Orban, wird von den Regierungsparteien vorgeworfen, im Europarlament in Straßburg "gegen sein eigenes Land agitiert" zu haben.

Orban hatte auf der Fraktionssitzung der Europäischen Volkspartei (EVP) am 24. Oktober erklärt: Die Europäische Union müsse klar zum Ausdruck bringen, dass sie unter keinen Umständen Regierungen Hilfe leistet, "die "lügen, betrügen und das moralische Erbe des Kommunismus bis heute nicht aufgegeben haben". Der Fidesz-Chef spielte damit auf den sozialistischen ungarischen Regierungschef Ferenc Gyurcsany an. Eine im September an die Öffentlichkeit gekommene interne Rede, in der Gyurcsany "Lügen" über die Lage des Landes zugegeben hatte, hat eine bis heute dauernde Welle von Protesten und Rücktrittforderungen ausgelöst. Orban hatte Gyurcsanys bereits mehrfach als "illegitim" bezeichnet.

Proteste

Die Orban-Rede führte in Ungarn zu entschiedenen Protesten der sozialliberalen Koalition. Laut dem Vorsitzenden des ungarischen Parlamentsausschusses für Europa-Angelegenheiten, Matyas Eörsi, könnte die Erklärung Orbans so interpretiert werden, dass der Fidesz-Chef die europäischen Institutionen auffordert, die Ungarn zugedachten 30 Mrd. Euro Finanzhilfe zu verweigern. Der Parlamentsausschuss ersucht Orban, am kommenden Dienstag vor dem Ausschuss seine in Straßburg ausgedrückte Meinung zu erklären. Der Fidesz-Politiker und stellvertretende EVP-Fraktionschef Jozsef Szajer dementierte: Es sei eine Lüge, dass Orban die Unterbindung der Finanzhilfen für Ungarn gefordert hätte. Orban habe "allgemein" von korrupten Lügenregierungen gesprochen.

Die linksliberale Tageszeitung "Nepszabadsag" (Freitagausgabe) hat unterdessen den offen Gyurcsany-kritischen EVP-Präsidenten Wilfried Martens ironisch als "alten Freund der Ungarn". Martens hatte am 23. Oktober, dem 50. Jahrestag der Ungarn-Revolution von 1956, bei einer Großkundgebung von Fidesz in Budapest Premier Gyurcsany scharf angegriffen und ihm die "alleinige Schuld" an der Krise zugesprochen. Martens wird im Blatt nun mit lobenden Worten aus dem Jahr 1987 gegenüber Kommunistenchef Janos Kadar zitiert. Er habe damals als belgischer Regierungschef seine Anerkennung und Achtung gegenüber Kadar bezeugt, der "das Schicksal Ungarns seit vielen Jahren trägt".

Weiters habe der belgische Ex-Premier auch die "großen Bemühungen des Kadar-Systems" gewürdigt, schreibt die Zeitung. Der 1988 als Parteichef abgesetzte und 1989 verstorbene Kadar war einer der Hauptverantwortlichen für die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes von 1956 gewesen. (APA)