Berlin/Köln/Kabul - Im Skandal um die Fotos von Totenschändungen sind neue schockierende Bilder von makabren Handlungen deutscher Soldaten aus Afghanistan aufgetaucht. Der Fernsehsender RTL zeigte am Donnerstag, wie deutsche ISAF-Soldaten mit Totenköpfen posieren. In dem Nachrichtenfilm war unter anderem zu sehen, wie mehrere Totenschädel auf einem Bundeswehr-Fahrzeug gestapelt wurden. Die Bilder tragen das Datum vom 11. März 2004 und sind damit rund ein Jahr später aufgenommen, als die bereits in der "Bild"-Zeitung veröffentlichten Fotografien. Sie hatten den Skandal ins Rollen gebracht.

"Neuer Einzelfall"

Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sprach in dem Bericht von "einem neuen Einzelfall". Der Vier-Sterne-General kündigte an, dass auch gegen diese Soldaten rücksichtslos und schonungslos ermittelt werde. Bei den Soldaten soll es sich dieses Mal um Panzergrenadiere handeln. "Es ist nicht zu fassen, dass es solche Menschen gibt. Und es ist außerordentlich entsetzlich, dass es solchen Menschen in unserer Reihen gibt, die mit diesem Verhalten nicht nur gegen alle Grundsätze unserer Inneren Führung und auch von Moral und Anstand verstoßen", sagte der Generalinspekteur. Nach einer Mitteilung der Potsdamer Staatsanwaltschaft wird im Zusammenhang mit den ersten Fotos gegen sieben statt bisher sechs deutsche ISAF-Soldaten als mögliche Beteiligte ermittelt.

Schädel auf Bizeps

Auf den von RTL gesendeten und mit einer Digitalkamera aufgenommen Bildern ist weiter zu sehen, wie ein Soldat einen Schädel auf dem Bizeps seines linken Oberarms trägt. Auf einem anderen Foto posiert ein Soldat vor einem Jeep der ISAF, auf dessen Fronthaube ebenfalls ein Totenschädel liegt.

Die "Leipziger Volkszeitung" berichtete, ein Knochenfeld in der Nähe von Kabul soll mehrfach Posier- und Fotostation für Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF gewesen sein. In den vergangenen drei Jahren habe es offenbar mehrfach Foto-Aktionen deutscher Soldaten mit Gebeinen in der Hand gegeben. Auch Soldaten anderer Nationen hätten sich in demonstrativer Pose gezeigt.

Entsetzen

Mit Entsetzen haben der Bundestag und die Regierung in Kabul auf die deutschen Soldaten vorgeworfene Totenschändung reagiert. Das afghanische Außenministerium wertete den auf Fotos dokumentierten obszönen Umgang mit einem Menschenschädel am Donnerstag als Verstoß gegen islamische Werte und afghanische Traditionen und forderte Konsequenzen. Im Bundestag stießen die Bilder einhellig auf Empörung.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele weiß nach eigenen Angaben von "mindestens einem halben Dutzend Leuten, dass hunderte solche Bilder existieren sollen". Das sagte Ströbele am Rande des BND-Ausschusses in Berlin. Für die Ermittlungen ist von sofort an die Staatsanwaltschaft München II zuständig. Das Auswärtige Amt machte zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen an deutschen Botschaften keine Angaben.

München ermittelt

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat die Ermittlungen inzwischen an die Münchner Kollegen abgeben, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl in München der dpa. Nach den bisherigen Erkenntnissen stamme mindestens ein Beschuldigter aus dem Zuständigkeitsbereich seiner Justizbehörde, ergänzte Hödl. Alle bisher als beteiligt geltenden Soldaten waren oder sind im bayerischen Mittenwald stationiert, wie der dpa in Berlin bestätigt wurde. Dort sind Gebirgsjäger-Einheiten untergebracht.

In der ersten offiziellen Reaktion aus Kabul hieß es: "Die Regierung und das Volk Afghanistans sind von der Nachricht über die Schändung eines menschlichen Schädels tief betrübt worden." Das Außenministerium teilte in Kabul mit: "Das Ministerium und die Islamische Republik Afghanistan verurteilen die Tat scharf, die gegen islamische Werte und afghanische Traditionen verstößt." Die deutschen Behörden wurden aufgerufen, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.

"Propaganda"

Der afghanische Handelsminister Amin Farhang sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagsausgabe), er befürchte ähnliche Proteste wie nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. "Die Afghanen sind da sehr empfindlich. Natürlich werden die Terroristen Propaganda machen", fügte der Minister hinzu. (APA)