Christiane Spiel
Foto: Standard/Corn Heribert
Am liebsten kümmert sich Christiane Spiel "um schwierige inhaltliche Fragen. Diese wissenschaftlich fundiert zu überprüfen finde ich herausfordernd." Sie konzipiert dabei den gesamten Prozess vom kreativen Forschungsdesign über die Entwicklung neuer Erhebungsinstrumente bis zur Evaluation der Zielerreichung. Für ihr Engagement und das bisherige Gesamtschaffen verlieh die Stadt Wien der Bildungspsychologin von der Universität Wien den Wissenschaftspreis für Geistes- und Sozialwissenschaften 2006. Mit dieser Auszeichnung befindet sich Spiel in guter Gesellschaft mit Maria Jahoda, Ruth Wodak oder Erika Weinzierl. Die Preisträgerin freut sich auch, weil viele Würdigungen in der Wissenschaft "stark auf grundlagenorientierte, naturwissenschaftliche und medizinische Forschung ausgerichtet sind".

Den Bildungsbereich kennt die 1951 geborene Wienerin von allen Seiten: als Schülerin aber auch als AHS-Lehrerin für Mathematik und Geschichte und nicht zuletzt als Mitglied der Zukunftskommission. Der Wechsel vom Klassenzimmer in den Hörsaal führte über "meinen Mann und seine Eltern, die alle Neuropsychiater für Kinder und Jugendliche sind. Ihre Erzählungen haben mich neugierig gemacht." Medizin lag ihr nicht, also begann sie, neben dem Beruf Psychologie zu studieren. Der Ordinarius für Methodenlehre lotste sie aufgrund ihrer Mathekenntnisse aus der Karenz auf die Uni. Am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin wurde ihr endgültig klar "dass Forschung und Lehre an der Universität der richtige Beruf für mich ist".

Bildungskarriere und lebenslanges Lernen

"Im Bereich Bildung gibt es zweifellos viel Optimierungsbedarf, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die darauf warten, umgesetzt zu werden", weiß Spiel und macht sich selbst täglich ans Werk. In der von ihr konzipierten "Bildungspsychologie" stehen Bildungskarriere und lebenslanges Lernen im Zentrum. In diesem Rahmen bringt sie theoretische Grundlagen und Anwendungsorientierung in Einklang. Mit ihrem Team forscht sie über Integration von Kindern mit Migrationshintergrund oder entwickelte das Vienna-E-Lecturing-Programm (VEL) zum motivierenden E-Learning im Bereich Methodenausbildung in Psychologie. Das Wiener Sozial-Kompetenz-Training (ViSC) ihres Instituts wurde bereits in elf Klassen erfolgreich durchgeführt. Es lässt aggressive "Bullys", die ihre Klassenkollegen terrorisieren, gar nicht erst aufkommen.

"Es macht mir Freude, Dinge zu gestalten", sagt Christiane Spiel, die 2000 als Gründungsprofessorin den Bereich Bildungspsychologie und Evaluation und 2004 als Dekanin die neue Fakultät für Psychologie an der Uni Wien aufgebaut hat. "Dort habe ich in den letzten zwei Jahren viel bewegt", zieht sie Bilanz. Mit ihrem Team wird ihr Engagement demnächst mit dem ersten Preis für Hochschulmanagement der Donau-Universität Krems ausgezeichnet. Die Fachfrau für Erfolgsmessung ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) und sieht durchaus noch Entwicklungspotenzial in der Evaluationskultur ihrer Heimat: "Es hat sich noch nicht so durchgesetzt, dass man aus Evaluation viel lernen kann." Die Professionalisierung der Auftraggeber solcher Studien ist ihr ein großes Anliegen. Als künftige Präsidentin der European Society for Developmental Psychology wird sie sich viel um europäische Themen - etwa Migration - kümmern. Das nennt man wohl lebenslanges Lernen.

Christiane Spiel geht in der Freizeit mit ihrem Mann und den beiden erwachsenen Söhnen gerne ins Theater, besucht Ausstellungen, Konzerte und die Oper. Sie versucht auch Tagungsbesuche mit Reisen zu verbinden und geht Wandern und Ski fahren. (DER STANDARD, Printausgabe 25.10.2006)