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Spielgeld

Der Video- und Computerspielmarkt ist seit jeher im Wachsen begriffen. 2004 bereits bescherten Spiele der Unterhaltungsindustrie höhere Umsätze als Kinofilme. Das Milliarden-Dollar-Business funktioniert dabei nicht anders als jeder andere Markt, das Bild von einer Garagen-Community, die in der Freizeit Pongs und PacMen generiert ist so nostalgisch wie überholt. Die Big Player heißen Electronic Arts, Activision, Ubisoft, Sony, Nintendo und natürlich Microsoft. Sämtliche Unternehmen sind börsenorientiert und unterwerfen sich ergo den Gesetzen des Marktes. Wo einst ausschließlich die Kreativität und der Spaß an der Sache regierten, halten nun massentaugliche Entertainment-Konserven Einzug. Die Nachfrage steigt, das Bedürfnis nach immer aufregenderen virtuellen Erfahrungen reißt nicht ab.

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Aufwand

Die Technik wird feiner, das Angebot reichhaltiger und der Produktionsaufwand steigt. Aggressive Marketing-Kampagnen dienen der Produkt-Lancierung, Miss Lara Croft erhält ein reizvolles Lock-Pendant aus Fleisch und Blut. Jungs und Männer stehen Schlange, eine Marke wird "gebrandet". All diese Maßnahmen kosten die Konzerne ein Vermögen, die kleinen Fische verenden angesichts der enormen Werbeausgaben oder werden geschluckt, weil sie ihre hoch gesteckten Ziele alleine nicht mehr erreichen können.

Goldgräber

So wird aus einer Not (oder einem Wahn), nach neuen Einkommensquellen geforscht. Die Konsolenspiele der nächsten Generation (XBOX 360, PS3) erlangen bisher unerreichte Preishöhen. Rund 60 Euro werden Sony und Co. künftig für ihre Software berappen. Die Luft für die Verbraucher wird immer dünner, ein alternatives Finanzierungsmodell wird auf lange Sicht benötigt.

deafgames.com

Aderlass

Auf der teuren Seite stehen hier Online-Rollenspiele wie World of Warcraft von Blizzard Entertainment. 40 bis 50 Euro werden hier für die Spiel-DVD verlangt. Um die vernetzte Abenteuerhatz über längere Zeit im Internet verfolgen zu dürfen und so den wahren Sinn der Spielmechanik auskosten zu können, bedarf es eines Abonnements von 12 Euro pro Monat - plus minus 1 Euro je nach Tarif. Für den Hersteller ist dieses Modell äußerst lukrativ. Für ein - um dem Konsens der Fachmagazine zuzustimmen - ausgezeichnetes Produkt erhält das international operierende Unternehmen bei gut 6 Millionen Abonnenten, um den Daumen gepeilt, einmalig 30 Millionen Euro für den Verkauf und jährlich 864 Millionen Euro für das Online-Angebot.

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On Air

Ohne Frage, alle Spielproduzenten sind an derartigen Erträgen interessiert, gleichzeitig eignet sich dieses Finanzierungsmodell nicht für jedes Angebot. Die Verbraucher sind nach wie vor zum Großteil Casual-Gamer, also auf der Suche nach der Unterhaltung für zwischendurch. Autorennen, Fußballspiele oder Ego-Shooter liegen weiterhin im Trend und Social-Games wie Eyetoy und Puzzle-Spiele wie Tetris haben sich längst als Standsäulen der Industrie etabliert. So ergeben sich für die unterschiedlichen Genres individuelle Finanzierungsmethoden. Dabei kommt es zwangsläufig zum Einsatz von In-Game-Werbung.

sony

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Für die Kaffeepause

Puzzle- und Mini-Games findet man heutzutage zuhauf im Internet, egal ob auf Fun-Pages oder auf mehr oder weniger informativen Nachrichtenseiten. In der Regel sind die Mah-Jonggs und Yeti-Sports alle gratis und dienen dennoch nicht einzig und allein dem Zeitvertreib während der Arbeitszeit. Denn entweder handelt es sich hier um Ad-Games (Werbespiele), die einen spielerischen Connect zwischen dem Verbraucher und einem Produkt herstellen sollen oder um werbeunterstützte Spiele, die nach bestimmter Zeit oder Spielverlauf einen Banner einblenden. Während erstere für Konzerne eine Möglichkeit darstellen, ihre Produkte auf unkonventionelle Weise in den Markt einzuführen, dienen letztere einzig dem direkten Ertrag .

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Die Spielerin als Zielgruppe

Die Firma RealNetworks hatte im Juni dieses Jahres angekündigt, Video-Ads in solchen Casual-Games zu streamen. Die Firmenpolitik gibt sich dabei familienfreundlich, Alkohol und ähnlich sündige Verbraucherartikel werden nach eigenen Angaben nicht ins Portfolio aufgenommen. Langweilig dürfte die Zielgruppenbindung dabei nicht werden, bedenkt man, dass dieser Bereich der klischeebehafteten virtuellen Welt mehrheitlich von Frauen frequentiert wird. Somit ist laut RealNetworks der fokussierte Konsument weiblich und zwischen 30 und 55 Jahren alt. Als Werbepartner konnte man bereits Unternehmen wie Hasbro oder Honda gewinnen.

realaarcade.com

Produktplatzierung

Wenn der "Gouverneur of California" in Terminator 3 als angegrauter Roboter im Regal nach Mannerschnitten greift, dann mag das bei Bewohnern der nord-östlichen Region unseres Landes für verschmitzte Schmunzler sorgen. Die US-Producer lachen sich hingegen heftig ins Fäustchen, bringen solche Product-Placements doch Millionen Dollar. Microsoft hat sich am Prinzip der Filmbranche ein Vorbild genommen und zu diesem Zweck die Firma Massive aufgekauft. Der In-Game-Werbespezialist stellt 2D- und 3d-Modelle von realen Produkten her und integriert diese dann in das gewünschte Spiel. Erst im vergangenen Juli wurde eine neue Abteilung eingerichtet, die sich exklusiv mit der Entwicklung von interaktiven Produkt-Platzierungen beschäftigt. Als erster Kunde hat sich der japanische Automobil-Gigant Toyota zu Erkennen gegeben. Die 2007er Ausgabe des Kleinwagens Yaris wird im Online-Spiel Anarchy Online seinen Platz finden. Weitere Einsatzgebiete wurden bereits angedacht.

anarchy-online.com

Ortsspezifisch

Das Besondere an dem System ist nicht bloß die Integration von virtuellen Ads in die von Spielproduzenten vorgesehenen Slots im Spiel, sondern auch die Handhabung dieser. Wenn 2008, dank hoch antizipierter Spiele wie Huxley, Massive den japanischen Markt erstmals erschließt, dann gilt es vor allem bei Massen-Mehrspieler-Online-Games die Produktauswahl lokal anzupassen. Mehr noch, auch die temporäre Platzierung ist möglich, um Angebote nur in einem bestimmten Zeitrahmen zur Schau zu stellen. So können über die Lebensdauer eines Titels nicht nur immer neue Werbeverträge abgeschlossen werden, sondern es kann auch die Produktpalette saisongerecht adaptiert werden.

webzen

Interaktivität als neue Herausforderung

Mit der Interaktivität der Produkte steht den Konzernen ein komplett neues Modell der Produktwerbung ins Haus und damit auch neue Herausforderungen. Reicht es in Fernsehspots die Ware möglichst stilvoll und verführerisch zu präsentieren, gibt man in Spielen die Kontrolle über das Fabrikat ab. Ein Auto wird dann nicht nur gut aussehen müssen, es sollte besser auch auf dem Polygon-Parcours eine gute Figur machen. Red Bull hat schon 2003 an diesen Mehrwert von Interaktion gedacht und mit Sega einen Vertrag für das Spiel Worms 3D abgeschlossen. Trinkt der wurmige Protagonist vom Energy-Drink, erhöht sich kurzfristig dessen Sprungkraft. Das Potential Produkte attraktiv und - vielleicht noch wesentlich wichtiger - subversiv anzupreisen, ist somit ohne Zweifel grenzenlos.

Schlachtfeld

EA Games hat derweil bekräftigt, in Zusammenarbeit mit den Ingame-Ads-Spezialisten von IGA, im kommenden Mehrspieler-Taktik-Shooter Battlefield 2142 Werbung zu platzieren. Laut einem Sprecher sollen die virtuellen Anzeigen nicht störend auf das Spielgeschehen einwirken und passend zum Setting gestaltet werden. Darüber, welche Auftraggeber sich um die Einschaltungen bemühen, wollte man noch keine Stellungnahme abgeben. Finanzielle Details wurden ebenfalls nicht bekannt gegeben.

worms3d.com

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Prognosen

Branchenanalysten schreiben der In-Game-Werbung geschlossen positive Aussichten zu. Egal wie viel Prozent Wachstum die unterschiedlichen Marktforschungsunternehmen im Detail prognostizieren, lagen die Einkünfte über Spiele-Ads 2004 noch bei wenigen hundert Millionen Dollar, so wird für den Jahrzehntwechsel ein Milliardengeschäft erwartet. Die Yankee-Group geht so zum Beispiel für 2010 von 2,5 Milliarden Dollar weltweit aus. De facto hat die Spielindustrie eine weitere sehr attraktive Einkommensquelle ausgelotet. Ob das an der Kräfteverteilung etwas ändern wird, ist bis dato nicht vorherzusehen. Vielleicht ergibt sich durch das neue Finanzierungsmodell auch eine Chance für kleinere Entwickler-Studios unabhängig zu bleiben.

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Bleibt der Konsument auf der Strecke?

Für die Industrie dürfte sich die Zukunft rosig gestalten. Doch was sollen die Spieler von alledem halten? Zum einen steigen die Preise für Konsolenspiele deutlich an und zum anderen bescheren nun auch Spiele dem Verbraucher eine Werbeflut. Wie eine Studie von comScore zu Tage brachte, sehen bloß 37 Prozent der Vielspieler (16 Stunden pro Woche) eine Realitätssteigerung durch die Werbeprodukte. Satte 73 Prozent der Normal-Spieler sehen im neuen Trend keine Erhöhung des Realismus. Damit wird der Game-Industrie mit einem Satz die Berechtigung für ihre Argumentationen genommen, wonach Spieler die Werbeintensivierung, was Product-Placements betrifft, begrüßen, da diese den Realismus steigern würden.

Akzeptanz unter Vorbehalt

Eine Studie von Parks zeigte unterdessen, dass Ingame-Werbung durchaus auch positive Reaktionen hervorrufen kann, allerdings nur unter dem Aspekt der Kostenreduzierung für den Verbraucher. Während unter den 2000 Befragten die Gruppe der 13 bis 17 Jährigen nur zu 31 Prozent auf Preisnachlässe besteht, fordert die Gruppe der bis zu 55 Jährigen zu 58 Prozent Vergünstigungen.

www.shorty.li

Achtung Prägung

Ob realistisch oder nicht, im Endeffekt handelt es sich um Spiele, die im Allgemeinen wenig mit der Realität zu tun haben. Weitaus größere Kopfzerbrechen dürfte der Umstand hervorrufen, dass die Interaktivität der beworbenen Produkte auch eine starke manipulative Kraft mit sich zieht. Wenn den Trollen in World of Warcraft künftig eine Wunder-Chiquita-Banane zur Ausdauersteigerung angeboten wird, könnte diese Art der Werbung vor allem bei Kindern zu massiven Prägungen führen. Interessant wird zu beobachten sein, was die Jugendschützer unternehmen werden, fürchtet man doch selbst bei jedem Stück nackter Textur um das Wohlergehen der Minderjährigen.

Unterm Strich

Das Werbemodell, wie es zurzeit von der Branche angebahnt und umgesetzt wird, sieht zumindest momentan keine Profite, im Sinne von Vergünstigungen, für die Konsumenten vor. Die Werbe- und Games-Industrie schlagen gemeinsam ein neues Kapitel auf und erfreuen sich an der saftig satten Spielwiese. Alles andere käme auch einer Überraschung gleich. (Zsolt Wilhelm)

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