Washington/London - Zwischen 750 und 800 Millionen Dollar (etwa 600 bis 635 Millionen Euro) sind im Irak vermutlich durch Korruption im Verteidigungsministerium abhanden gekommen. Der US-Fernsehsender CBS News zitierte am Sonntag (Ortszeit) irakische Ermittler, die sich zugleich beklagten, von den USA, Großbritannien und den Nachbarstaaten des Irak kaum Unterstützung bei ihren Untersuchungen zu erhalten. Als Grund nannte der ehemalige irakische Finanzminister Ali Allawi die Verstrickung hochrangiger Funktionäre.

Der irakische Vize-Ministerpräsident Barham Saleh kündigte unterdessen an, irakische Sicherheitskräfte sollten bis Ende des Jahres die Kontrolle über knapp die Hälfte der Provinzen des Landes übernehmen.

Auch Berater des irakischen Ex-Verteidigungsminsiters verwickelt

Nach Angaben von CBS ist auch ein hochrangiger politischer Berater des ehemaligen irakischen Verteidigungsministers in die Korruptionsaffäre verwickelt. Das Geld war dem Bericht zufolge ein Teil von insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar, mit denen militärische Ausrüstung zur Bekämpfung der Unruhen im Irak gekauft werden sollte. Die fehlende Unterstützung der Ermittlungen durch andere Länder begründete der ehemalige Exfinanzminister Allawi mit der Vermutung, "dass zu viele Menschen in Machtpositionen im neuen Irak" in die Korruption verwickelt seien. Sollten die Schuldigen nun vor Gericht gebracht werden, "würde das ein fragwürdiges Licht auf die Menschen werfen, die sie unterstützt und in diese Positionen gebracht haben".

Als einer der Hauptschuldigen wird in dem CBS-Bericht Siad Kattan genannt, der im Verteidigungsministerium für die Materialbeschaffung zuständig war. Er bestreitet die Vorwürfe, wird durch Telefonmitschnitte, die dem Sender vorliegen, aber belastet. Nach Angaben des irakischen Antikorruptionsbeauftragten Radhi al-Radhi soll ein Großteil des nicht gestohlenen Geldes für veraltete, unnütze Ausrüstung ausgegeben worden sein.

Plan zum Ausbau der irakischen Kontrolle

Iraks Vizeministerpräsident Saleh kündigte den Plan zum Ausbau der irakischen Kontrolle über das eigene Land nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in London an. Gleichzeitig betonte er, der Irak sei aber weiterhin auf die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Koalitionsstreitkräfte im Irak sollten nicht abziehen. Salehs Besuch fand inmitten zunehmender Debatten über die Strategie der USA und Großbritanniens im Irak und einem möglichen Rückzug aus dem Land statt. Die britische Zeitung "The Guardian" hatte am Montag berichtet, Blair wolle auf Saleh Druck ausüben, die Bereitschaft der irakischen Sicherheitskräfte zu mehr Verantwortung zu beweisen. Ein Sprecher Blairs wies diesen Bericht zurück. Gleichzeitig weigerte er sich, einen Terminplan für den Abzug zu nennen.

Das Treffen Salehs mit Blair fand zwei Tagen nach einer Zusammenkunft von US-Präsident George W. Bush mit Generälen der US-Armee und hohen Sicherheitsberatern statt. Dabei sollte es um die Strategie für das Engagement der USA im Irak gehen. Die Kritik an der Irakpolitik wächst in den USA. "Es ist wahr, dass einen radikaler Politikwechsel notwendig ist", sagte der einflussreiche demokratische Senator Joseph Biden dem Fernsehsender "Fox News".

Äußerungen entschärft

Ein hoher US-Diplomat entschärfte unterdessen seine Äußerungen aus einem Interview mit dem Fernsehsender Al Jazeera. Der Mitarbeiter in der Nahostabteilung des US-Außenministeriums, Alberto Fernandez, hatte in dem Gespräch auf arabisch eingestanden, die USA hätten "Arroganz" und "Dummheit" in ihrer Irakpolitik gezeigt. Der Diplomat sagte nun, nachdem er das Transskript des Interviews gelesen habe, sei ihm aufgefallen, dass er sich versprochen habe.

Innenpolitisch wirkt sich seine Irak-Politik für US-Präsident Bush negativ aus: Gut zwei Wochen vor der Kongresswahl gerät er auch aus den Reihen seiner eigenen Partei zunehmend unter Druck. Eine bessere Strategie sollte "eher früher als später" umgesetzt werden, forderte der republikanische Senator Arlen Specter. Bushs Berater Dan Bartlett erklärte am Montag, das Weiße Haus bemühe sich schon seit Monaten um einen Plan, wie die irakische Regierung in ihrer Regierungskraft gestärkt werden könne.

Bartlett bestätigte damit einen Bericht der "New York Times", den das Weiße Haus zuvor als nicht korrekt zurückgewiesen hatte. Es gehe darum, sichtbare Richtwerte zu definieren, sagte Bartlett dem Sender CBS. Die "New York Times" hatte geschrieben, ranghohe Generäle und der US-Botschafter in Bagdad, Zalmay Khalizad, arbeiteten an einem konkreten Plan, der dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki bis zum Jahresende vorgelegt werden solle. (APA/AP)